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Auf dem Zeitstrom

Auf dem Zeitstrom

Titel: Auf dem Zeitstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Vielleicht ist er mitten in den Fluß gefallen und liegt nun unter dreihundert Metern Wasser begraben!«
    »Du siehst deprimiert aus, mein Freund«, erwiderte Lothar. »Das solltest du besser nicht. Zuerst sollten wir einmal von der Annahme ausgehen, daß er noch da ist. Sollte sich das als Fehlschluß herausstellen, haben wir immer noch genug Gelegenheit, darüber zu klagen. Und auch dann solltest du nicht mehr deprimiert sein als vor dem Tag, an dem wir ihn sahen. Außerdem haben wir immer noch Wein, Weib und Gesang.«
    »Ich kann mich aber damit nicht zufrieden geben«, sagte Sam. »Außerdem kann ich mir einfach nicht vorstellen, daß man uns von den Toten auferweckt hat, damit wir von nun an bis in alle Ewigkeit dem Nichtstun frönen. Es würde einfach keinen Sinn ergeben.«
    »Meinst du?« fragte Lothar grinsend. »Wer weiß denn schon, von welch fremdartigen Motiven sich diese mysteriösen Wesen leiten ließen, als sie ihren Entschluß faßten? Vielleicht ernähren sie sich von unseren Gefühlen.«
    Diese Bemerkung rief Sams Interesse hervor. Seine Depression verschwand. Jede neue Idee, auch wenn sie deprimierend sein mochte, gab ihm wieder neuen Antrieb.
    »Du hältst es für möglich, daß sie an einer langen Tafel sitzen und uns als eine Art emotional aufgeladenes Vieh betrachten? Daß unsere anonymen Hirten sich von riesengroßen und saftigen Liebessteaks, Hoffnungsrippchen, Verzweiflungslebern, Bruststücken der Freude, Haßherzen und den Süßigkeiten des Orgasmus ernähren?«
    »Es ist nur eine Theorie«, meinte Lothar, »aber sie erscheint mir ebenso gut wie jede andere, die ich bisher gehört habe – und besser als die meisten. Es ist mir allerdings gleichgültig, ob sie sich an mir mästen. Meinetwegen will ich sogar gerne einer ihrer preisgekrönten Zuchtbullen sein. Aber da wir gerade davon sprechen: Schau dir mal die Kleine da hinten an. Laß mich da mal ran!«
    Die kurzweilige Erleuchtung verschwand, und Sam fand sich wieder in einer Umgebung finsterer Schatten. Vielleicht hatte der Deutsche sogar recht. In jedem Fall hatte ein menschliches Wesen gegen die geheimnisvollen Unbekannten kaum mehr Chancen als eine preisgekrönte Kuh gegen ihren Besitzer. Aber ein Bulle konnte immerhin seine Hörner gebrauchen; konnte töten, bevor ihm die letzte große Niederlage drohte.
    Sam erklärte die Situation Blutaxt. Der Norweger sah ihn nachdenklich an. »Wie sollen wir diesen heruntergefallenen Stern finden?« fragte er. »Schließlich können wir nicht das ganze Land umgraben und nach ihm suchen. Du weißt selbst, wie zäh der Grasboden ist. Es kann Tage dauern, bis wir mit unseren Steinwerkzeugen auch nur ein kleines Loch gegraben haben. Ganz abgesehen davon, daß es sofort nachwächst und das Loch wieder verstopft.«
    »Aber es muß einen Weg geben«, erwiderte Sam. »Wenn wir doch nur ein wenig magnetisches Eisenerz hätten oder einen Metalldetektor. Aber leider besitzen wir so was nicht.«
    Lothar, der die letzten Minuten damit verbracht hatte, einer vollbusigen Blondine am Ufer zuzuwinken, hatte Sams Worten ununterbrochen gelauscht. Er wandte sich um und meinte: »Von oben betrachtet sähe die Sache natürlich anders aus. Selbst wenn vierzig Generationen von Siedlern sich abgemüht haben, ein altes Gebäude mit Erde zu bedecken, und selbst nicht mehr wissen, was sie da eigentlich zugeschüttet haben, kann ein Flieger noch sehen, daß dort etwas vergraben liegt. Es liegt ganz einfach an der Unterschiedlichkeit der Farben des Bodens, manchmal auch an der Vegetation, daß er das erkennt, obwohl man diese Methode hier natürlich nicht anwenden kann. Aber für jeden, der in großer Höhe fliegt, offenbart sich die Erdoberfläche in ganz anderer Form. Das Erdreich würde über einer solchen Ruine ganz anders aussehen.«
    Sam verspürte plötzlich eine ungeheure Erregung. »Meinst du damit, du könntest den Meteoriten finden, wenn wir dir einen Gleiter bauten?«
    »Das wäre ziemlich nett von euch«, erwiderte Lothar, »und wir könnten das eines Tages wirklich tun. Aber im Moment ist das unnötig. Wir brauchen nur auf einen Berg zu klettern, der uns genügend Ausblick auf das Flußtal erlaubt, und die Augen aufmachen.«
    Sam schrie begeistert auf. »Was haben wir doch für einen gottverdammt guten Fang gemacht, als wir dich aus dem Wasser zogen!«
    Dann runzelte er die Stirn. »Aber es ist unmöglich, so hoch hinaufzuklettern. Sieh dir doch die Berge mal an. Sie ragen so steil auf und sind so glatt wie

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