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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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wie: »Das wusstest du nicht?« oder »Sicher bist du dir der Tatsache bewusst …«, um gönnerhaft zu wirken, dem anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Oberhand zu gewinnen.
    Bestimmt hatte er nicht genug Geld fürs Mittagessen dabei.
    »Wie viel schuldet er dir, Pawel?«, fragte ich und fischte in meiner Tasche nach einem Fünfer.
    Dev warf mir ein Lächeln zu.
    Ich liebe London.
    Ich liebe alles daran. Ich liebe seine Paläste und seine Museen und seine Galerien, klar. Aber ich liebe auch seinen Dreck und den Regen und den Gestank. Okay, also, ich meine nicht direkt lieben . Aber ich habe nichts dagegen. Nicht mehr. Nicht mehr, seit ich mich daran gewöhnt habe. Man hat gegen nichts mehr irgendwas, wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat. Nichts gegen die Graffiti, die man an seiner Haustür findet, nachdem man diese gerade erst frisch gestrichen hat, und auch nichts gegen die Hühnerknochen und Ciderdosen, die man wegräumen muss, bevor man sich zu einem schlammigen Picknick niederlassen kann. Nichts gegen die endlose Abfolge von Fast-Food-Läden – aus AbraKebabra wird Pizza the Action wird Really Fried Chicken – an einer Hauptstraße, die trotz der drei neuen Namen pro Woche immer gleich aussieht. Sein Glitzer kann tröstlich sein, sein Eigensinn beflügelnd. Es ist das London, das ich täglich sehe. Ich meine, Touristen sehen das Dorchester Hotel. Sie sehen Harrods, Männer mit Bärenfellmützen und die Carnaby Street. Nur selten sehen sie den Happy Shopper an der Mile End Road oder eine triste Disco in Peckham. Sie steuern schnurstracks auf den Buckingham Palace zu und sehen darüber das Rot, Weiß und Blau der britischen Fahne flattern, während wir anderen im Tandoori Palace eine Portion Dansak bestellen und dabei Simply Red, White Lightning und Duncan von Blue hören müssen.
    Doch auch darauf sollten wir stolz sein.
    Oder sollten uns zumindest daran gewöhnen.
    Heutzutage findet man am einen Ende der Caledonian Road ein Stückchen Polen, in Stockwell findet man ein bisschen Portugal, und überall in Haringey ist die Türkei. Seit diese neuen Läden da sind, erkundet Dev in seiner Mittagspause eine gänzlich neue Kultur. So war er auch schon an der Uni, als er in Leicesters angesagtester Disco BoomBoom ein bolivianisches Mädchen kennenlernte. Ich studierte Englisch – und ungefähr einen Monat lang studierte Dev dann Bolivianisch. Jeden Abend wählte er sich ins Internet ein und wartete zehn Minuten, bis eine einzelne Seite hochgeladen war, dann druckte er sie aus und prägte sich spanische Redensarten ein in der Hoffnung, das Mädchen eines Tages wiederzusehen, was ihm jedoch nie vergönnt war.
    »Schicksal!«, sagte er dann. »Ach, Schicksal.«
    Jetzt drehte sich alles um Polen. Er labt sich an Szazinska-Käse, erklärt ihn für den besten Käse, den er je gegessen hat, ignoriert den Umstand, dass es sich dabei um Schmelzkäse handelt, der in kleinen Plastikpackungen daherkommt und haargenau wie Scheibenkäse schmeckt. Er kauft Krokiety und Krupnik und noch mehr Käse mit pinkfarbenen Plastikschinkenpunkten auf jeder trübseligen, gelbsüchtigen Scheibe. Einmal hat er Rote Bete gekauft, sie aber nicht gegessen. Außerdem passt er auf, dass der letzte Kunde ihn abends jeweils mit ein paar Paczki und einem Glas Jezynowka sieht. Und wenn er sich dann auffällig genug benommen hat und sie fragen, was um alles in der Welt er da in der Hand hält, sagt er: »Oh, die Dinger sind total lecker. Hast du etwa noch nie Paczki gegessen?«, wirkt unvermittelt weltgewandt und ein wenig selbstgefällig.
    Aber er tut es nicht, um anzugeben. Nicht wirklich. Er hat ein gutes Herz, und ich glaube, er hält sich für leutselig und informativ. Trotzdem ist es die faulste Form von Tourismus, die es gibt. Ich kenne sonst niemanden, der einfach nur dasitzt, Videospiele spielt und wartet, dass die Länder zu ihm nach Hause kommen, immer neue Wellen von diesen Leuten, die er »Frischlinge« nennt. Er möchte die Welt sehen, zieht es jedoch vor, sie von seinem Schaufenster aus zu betrachten.
    Von überall kommen Männer hierher, um etwas zu kaufen. Männer, die ihre Jugend wiederbeleben, eine Sammlung vervollständigen oder dieses eine Spiel finden wollen, das sie früher so gut draufhatten. Es gibt auch Neuware, klar – aber nur zum Überleben. Deshalb kommen die Leute nicht her. Und die, die kommen, kriegen manchmal den Power-Up!-Geheimtipp. Danach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Dev von Makoto

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