Auf den Hund gekommen
»Sehen Sie, deswegen warne ich Sie ja dauernd, Tricki zu überfüttern. Wenn Sie ihn weiterhin mit all diesem ungesunden Zeug vollstopfen, ruinieren Sie seine Gesundheit. Was er braucht, das ist eine vernünftige Hundediät – ein- oder höchstens zweimal am Tag eine kleine Mahlzeit. Nur Fleisch und Schwarzbrot oder Zwieback. Und nichts zwischendurch.«
Mrs. Pumphrey sank förmlich in sich zusammen, ein Bild tiefsten Schuldbewußtseins. »Ach, bitte, sprechen Sie nicht so streng mit mir. Ich versuche ja, ihm die richtigen Dinge zu geben, es ist nur so schwierig. Wenn er um seine kleinen Leckerbissen bettelt, kann ich einfach nicht nein sagen.« Sie betupfte ihre Augen mit einem Taschentuch.
Aber ich war unnachgiebig. »Gut, Mrs. Pumphrey, es liegt bei Ihnen, aber glauben Sie mir, wenn Sie so weitermachen, wird Tricki immer häufiger solche Anfälle erleiden.«
Ich verließ den gemütlichen Hafen nur ungern. Auf dem Kiesweg blieb ich stehen, um mich nach Mrs. Pumphrey umzublicken, die mir nachwinkte. Tricki hockte wie immer hinter der Fensterscheibe, und sein Gesicht mit der breiten Schnauze war offensichtlich zu einem herzlichen Lachen verzogen.
Auf der Heimfahrt dachte ich darüber nach, wie vorteilhaft es doch war, Trickis Onkel zu sein. Wenn er ans Meer fuhr, schickte er mir Kisten mit frischgeräucherten Bücklingen, und wenn die Tomaten in seinem Gewächshaus reiften, bekam ich jede Woche ein oder zwei Pfund. Regelmäßig traf Tabak in Blechdosen ein, dem manchmal ein Foto mit einer liebevollen Widmung beilag. Für diese Gaben bedankte ich mich telefonisch, und Mrs. Pumphrey sagte stets ziemlich kühl, nicht sie, sondern Tricki habe mir das geschickt und ihm gebühre daher der Dank.
Als zu Weihnachten der große Präsentkorb eintraf, wurde mir plötzlich klar, daß ich mir einen schweren taktischen Fehler hatte zuschulden kommen lassen. Ich setzte mich sofort hin, um Tricki einen Brief zu schreiben. Ohne Siegfrieds sardonisches Lächeln zu beachten, dankte ich meinem Hundeneffen für die Weihnachtsgeschenke und für all seine Großzügigkeit in der Vergangenheit.
Ich äußerte die Hoffnung, daß die Feiertagskost seinem empfindlichen Magen gut bekommen sei, und empfahl ihm für den Fall von Beschwerden, das schwarze Pulver einzunehmen, das ihm sein Onkel immer verschreibe. Ein vages Gefühl beruflicher Scham ertrank in Visionen von Lachs, Bücklingen, Tomaten und Geschenkkörben. Ich adressierte das Dankschreiben an Master Tricki Pumphrey, Barlby Grange, und warf es fast ohne Gewissensbisse in den Briefkasten.
Bei meinem nächsten Besuch nahm mich Mrs. Pumphrey beiseite. »Mr. Herriot«, flüsterte sie, »Tricki war ganz entzückt von Ihrem bezaubernden Brief, und er wird ihn immer aufbewahren. Nur etwas hat ihn sehr verstimmt – Sie adressierten den Brief an Master Tricki, und das ist doch eine Anrede für kleine Jungen. Er besteht auf Mister. Zuerst war er furchtbar beleidigt, aber als er sah, daß der Brief von Ihnen war, kehrte seine gute Laune zurück. Ich weiß gar nicht, woher er diese kleinen Eigenheiten hat. Vielleicht liegt es daran, daß er ein Einzelhund ist – ich glaube, ein Einzelhund entwickelt mehr Eigenheiten als einer, der viele Geschwister hat.«
Als ich Skeldale House betrat, hatte ich das Gefühl, in eine kältere Welt zurückzukehren. Auf dem Gang lief mir Siegfried in die Arme. »Ach, wen haben wir denn da? Ist das nicht der liebe Onkel Herriot? Und was haben Sie heute gemacht, Onkelchen? Sich in Barlby Grange abgemüht, vermute ich. Armer Junge, Sie müssen ja völlig fertig sein. Glauben Sie wirklich, daß es sich lohnt, bis zum Umfallen für einen neuen Geschenkkorb zu schuften?«
2 - Prince und das Schild über dem Bett
DAS SCHILD BAUMELTE ÜBER DEM BETT der alten Dame. Gott ist nahe stand darauf, doch es war nicht das übliche Täfelchen mit einem frommen Spruch. Kein Rahmen, keine Verzierung – allein ein rund zwanzig Zentimeter langes Stück Pappe mit schlichten Buchstaben, die ›Rauchen verboten‹ oder ›Ausgang‹ hätten bedeuten können, lässig mit einer Schlaufe über einen alten Gaslampenarm geschlungen, so daß Miss Stubbs es vom Bett aus sehen und die Worte Gott ist nahe in eckigen schwarzen Lettern lesen konnte.
Viel mehr gab es nicht zu sehen für Miss Stubbs. Durch die zerschlissenen Gardinen hindurch waren vielleicht noch ein, zwei Meter Ligusterhecke zu erkennen, doch ansonsten beschränkte sich ihr Sichtfeld auf die vollgestopfte Kammer, die
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