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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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eine Praxis in den Dales mit sich brachte. Man mußte stundenlang mit eiskalten Füßen und in schneidendem Wind fahren, um zu den hoch gelegenen Höfen zu gelangen. Dazu das ständige Sichauskleiden in zugigen Ställen, das Waschen in kaltem Wasser, mit Scheuerseife und oft einem Stück Sack als Handtuch.
    Ich merkte jetzt erst so richtig, was es heißt, aufgesprungene Hände zu haben. Wenn viel zu tun war, wurden meine Hände nie richtig trocken, und die kleinen roten Risse zogen sich fast bis zu den Ellenbogen hinauf.
    In solchen Zeiten war es ein Segen, wenn man zu einem Kleintier gerufen wurde, für eine Weile der rauhen, harten Routinearbeit entrinnen und sich statt dessen in einem warmen Wohnzimmer aufhalten konnte. Und von all den gemütlichen Wohnzimmern war keines so verlockend wie der Salon von Mrs. Pumphrey.
    Mrs. Pumphrey war eine ältliche Witwe. Ihr verstorbener Mann, ein Biermagnat, dessen Brauereien und Pubs über ganz Yorkshire verstreut waren, hatte ihr außer einem beachtlichen Vermögen ein wunderschönes Haus am Stadtrand von Darrowby hinterlassen. Hier lebte sie mit einer großen Anzahl von Bediensteten, einem Gärtner, einem Chauffeur und Tricki Woo. Tricki Woo war ein Pekinese und der Augapfel seiner Herrin.
    Als ich jetzt vor dem prächtigen Portal stand, sah ich in Gedanken bereits den tiefen Sessel dicht neben den züngelnden Flammen des Kamins, die Schale mit den Cocktailplätzchen, die Flasche mit dem ausgezeichneten Sherry. Wegen des Sherrys richtete ich es immer so ein, daß ich eine halbe Stunde vor dem Lunch erschien.
    Ein Mädchen öffnete mir die Tür, begrüßte mich mit strahlendem Lächeln und führte mich in den Salon, der vollgestopft war mit teuren Möbeln, herumliegenden Illustrierten und den neuesten Romanen. Mrs. Pumphrey, die in einem hochlehnigen Sessel am Kamin saß, legte ihr Buch mit einem Schrei des Entzückens aus der Hand. »Tricki! Tricki! Onkel Herriot ist da.« Ich war vor kurzem zum Onkel avanciert und hatte, da ich die Vorteile einer solchen Verwandtschaft erkannte, keine Einwände erhoben.
    Tricki hüpfte wie stets von seinem Kissen, sprang auf die Sofalehne und legte seine Vorderpfoten auf meine Schulter. Dann leckte er mein Gesicht gründlich ab, bevor er sich erschöpft zurückzog. Er war immer schnell erschöpft, denn er bekam etwa zweimal soviel Futter wie ein Hund seiner Größe benötigte. Außerdem war es das falsche Futter.
    »Oh, Mr. Herriot«, sagte Mrs. Pumphrey und blickte besorgt auf ihren Liebling, »ich bin so froh, daß Sie gekommen sind, bei Tricki bockt es wieder einmal.«
    Mit diesem Ausdruck, der in keinem Lehrbuch zu finden ist, beschrieb sie die durch Trickis eingeklemmte Afterdrüsen hervorgerufenen Symptome. Wenn die Drüsen sich füllten, zeigte er sein Unbehagen, indem er sich plötzlich mitten im Laufen hinsetzte, und dann stürzte seine Herrin in großer Aufregung zum Telefon. »Mr. Herriot, bitte, kommen Sie, bei Tricki bockt es schon wieder!«
    Ich hob den kleinen Hund auf einen Tisch und drückte einen Wattebausch auf den Anus, um die Drüsen zu entleeren. Ich begriff nicht, weshalb der Pekinese sich immer so freute, wenn er mich sah. Ein Hund, der einen Mann gern hatte, obgleich dieser Mann ihm bei jeder Begegnung schmerzhaft das Gesäß quetschte, ein solcher Hund mußte ein unglaublich nachsichtiges und gutmütiges Wesen sein. Tricki zeigte niemals irgendwelche Ressentiments; er war ein wirklich liebes Tierchen, das vor Intelligenz sprühte, und ich empfand echte Zuneigung für ihn. Es war ein Vergnügen, sein Leibarzt zu sein.
    Als die Prozedur vorbei war, hob ich meinen Patienten vom Tisch herunter. Dabei fiel mir auf, daß Tricki schwerer geworden war und dicke Fleischpolster auf den Rippen hatte. »Hören Sie, Mrs. Pumphrey, ich glaube, Sie überfüttern ihn wieder. Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Sie ihm keine Süßigkeiten geben dürfen und daß er mehr Proteine braucht?«
    »Ja, ja, Mr. Herriot, aber was soll ich tun?« jammerte Mrs. Pumphrey. »Er mag nun mal kein Hühnerfleisch.« Es war hoffnungslos. Ich ließ mich von dem Mädchen zu dem palastartigen Badezimmer führen, wo ich immer ein rituelles Händewaschen vollzog. Es war ein ungeheuer großer Raum mit einem vollbestückten Frisiertisch und Reihen von Glasborden, beladen mit Toilettenartikeln. Neben der teuren Toilettenseife war mein privates Gästehandtuch zurechtgelegt.
    Dann kehrte ich in den Salon zurück, mein Sherryglas wurde gefüllt, und ich setzte

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