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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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mich an den Kamin, um Mrs. Pumphrey zu lauschen. Eine Unterhaltung konnte man es nicht nennen, denn sie allein besorgte das Reden, aber ich fand immer, daß es sich lohnte.
    Mrs. Pumphrey war liebenswert, spendete großzügig für wohltätige Zwecke und half jedem, der in Not war. Sie besaß Intelligenz, Witz und sehr viel Charme. Aber wie die meisten Leute hatte sie einen schwachen Punkt, und bei ihr war es Tricki Woo. Die Geschichten, die sie über ihren Liebling erzählte, waren zumeist im Reich der Phantasie angesiedelt, und so wartete ich gespannt auf die nächste Fortsetzung.
    »Stellen Sie sich vor, Mr. Herriot, Tricki hat jetzt einen Brieffreund! Ist das nicht aufregend? Ja, er hat an den Chefredakteur der Welt des Hundes geschrieben und eine Spende beigelegt. In dem Brief erzählte er, daß er von chinesischen Kaisern abstamme, aber trotzdem beschlossen habe, Verbindung zu gewöhnlichen Hunden aufzunehmen. Er bat, der Zeitungsmann möge unter den Hunden, die er kenne, einen Brieffreund für ihn aussuchen – zum gegenseitigen Gedankenaustausch, wissen Sie. Zu diesem Zweck, schrieb Tricki, werde er sich den Namen Mr. Utterbunkum zulegen. Und denken Sie nur, er bekam einen ganz reizenden Brief von dem Chefredakteur. Dieser Herr meinte, er werde ihn gern mit Bonzo Fotheringham bekannt machen, einem einsamen Dalmatiner, der bestimmt entzückt wäre, Briefe mit einem neuen Freund in Yorkshire zu wechseln.«
    Ich trank ein Schlückchen Sherry. Tricki schnarchte auf meinem Schoß. »Aber ich bin so enttäuscht über die neue Gartenlaube«, fuhr Mrs. Pumphrey fort. »Sie wissen, ich ließ sie speziell für Tricki aufstellen, damit wir an warmen Nachmittagen zusammen im Freien sitzen könnten. Es ist ein so hübsches rustikales Häuschen, aber er kann es einfach nicht ausstehen. Er hat einen Abscheu davor und weigert sich entschieden hineinzugehen. Sie sollten seine angewiderte Miene sehen, wenn er es nur von weitem erblickt. Und wissen Sie, wie er es gestern genannt hat? Oh, ich wage es Ihnen kaum zu erzählen.« Sie schaute sich im Zimmer um, bevor sie hinter der vorgehaltenen Hand flüsterte: »Er nannte es Scheißbaracke!«
    Das Mädchen fachte das Feuer von neuem an und füllte nochmals mein Glas. Der Wind schleuderte eine Handvoll Graupeln gegen das Fenster. Ich wartete auf weitere Neuigkeiten.
    »Und habe ich Ihnen schon erzählt, Mr. Herriot, daß Tricki gestern wieder gewonnen hat? Wissen Sie, ich bin sicher, daß er die Rennberichte liest, denn er weiß immer, welches Pferd am besten in Form ist. Also gestern riet er mir, beim Drei-UhrRennen in Redcar auf Canny Lad zu setzen, und wie üblich gewann dieses Pferd. Tricki setzte einen Shilling auf Sieg und Platz, und das brachte ihm neun Schilling ein.«
    Diese Wetten wurden immer im Namen von Tricki Woo abgeschlossen, und ich dachte voller Mitleid an die örtlichen Buchmacher. Im Laufe des Jahres eine Shillingflut an einen Hund zu verlieren, das mußte für diese Männer höchst unerfreulich sein.
    »Letzte Woche ist etwas Schreckliches passiert«, sprach Mrs. Pumphrey weiter. »Ich dachte schon, ich würde Sie rufen müssen. Der arme kleine Tricki – er schnappt völlig über. Es war entsetzlich, ich war ganz außer mir. Der Gärtner warf Ringe für Tricki – Sie wissen ja, er macht das jeden Tag eine halbe Stunde lang.«
    Ich hatte dieses Schauspiel mehrere Male miterlebt. Hodgkin, ein mißmutiger alter Mann, der aussah, als hasse er alle Hunde und speziell Tricki, mußte jeden Tag auf dem Rasen kleine Gummiringe werfen, die Tricki dann holte und zurückbrachte.
    Mrs. Pumphrey fuhr fort: »Also Tricki machte sein Ringspiel, er liebt es doch so sehr. Aber plötzlich schnappte er über. Er vergaß seine Ringe, fing an, im Kreis zu rennen, und dabei bellte und kläffte er so merkwürdig. Und auf einmal fiel er um. Wie ein Toter lag er da. Wissen Sie, Mr. Herriot, ich dachte wirklich, er wäre tot, weil er sich überhaupt nicht rührte. Und was mich am meisten verletzte – Hodgkin lachte darüber. Er ist seit vierundzwanzig Jahren bei mir, und ich habe ihn niemals auch nur lächeln sehen, aber beim Anblick dieser reglosen kleinen Gestalt brach er in ein seltsames schrilles Kichern aus. Es war grauenhaft. Ich wollte gerade zum Telefon laufen, als Tricki aufstand und davonging – er wirkte völlig normal.«
    Hysterie, dachte ich, verursacht durch falsche Ernährung und übermäßige Erregung. Ich stellte mein Glas hin und blickte Mrs. Pumphrey streng an.

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