Auf den Inseln des letzten Lichts
von dem Film, den er am Samstag gesehen hat. Er hat ein Stück Gartenschlauch in der Hand, etwa einen halben Meter lang, damit schlägt er auf die Schweine ein, die zu langsam über die Rampe gehen. Dazu johlt er, du solltest ihn hören, du würdest seine Stimme nie mehr vergessen, seine Stimme und die Schreie der Tiere und das Getrampel der Hufe auf der Metallrampe, nie mehr im Leben würdest du das vergessen. Manchmal flucht John, wenn die vorderen Tiere im Gang stehenbleiben. Aber meistens macht er seinen Job ruhig, wie jeder hier, routiniert und müde und gelangweilt und so abgestumpft, dass er der Sau, die sich bei einem Fehltritt zwischen Ladeklappe und Rampe ein Bein verletzt undsich hingesetzt hat, auf den Kopf drischt, bis sich das Tier erhebt und den anderen hinterherhumpelt. Es ist noch nicht lange her, da hatten die Treiber Elektroschockgeräte, aber die sind inzwischen verboten. John bedauert das, er sagt, die Arbeit sei wieder so anstrengend wie früher. Aber es hält auch warm, sagt er und lacht, und du lachst auch, denn nach zwei Tagen hier drin bist du nicht mehr du, sondern jemand in einem Traum, jemand, der Schweinen zusieht, wie sie zurück in Richtung Luke wollen und dabei gegen die Absperrung springen, wo John steht und auf sie einprügelt. Du siehst ihnen zu, weil du die ersten beiden Wochen hier verbringen musst, weil du Tierarzt werden willst, weil du das Praktikum machen musst und weil die Leute Fleisch essen. Du machst an der Rampe die Erstbeschau, du bückst dich über tote Schweine und sterbende Kühe, du weichst den Hufen des Stiers aus, der in der Box um sich tritt, bis Callum, Brian oder Dariusz ihm den Bolzenschussapparat an die Stirn setzt und abdrückt. Draußen ist die Welt und alles, was du kennst, du gehst an einer Schule vorbei und an einem Buchladen, und auf der Straßenbank sitzt ein Mann, der seinen Hund streichelt, und im nächsten Augenblick betrittst du dieses Gebäude und verlässt die Welt. Du ziehst dich um, du bist die Nummer 38, in deinem Spind hängt ein Foto, das etwas Schönes zeigt. Du gehst durch den hellen Flur, trägst drei Schichten Kleidung und einen weißen Helm und eine weiße Schürze und Gummistiefel, und du frierst. Es ist die Vorhölle, die dich schluckt, die grün geflieste, wo die Ankunft stattfindet, das Warten und der Abschied. Die eigentliche Hölle wartet im nächsten Raum auf dich. Dort schweben sie herein, kopfunter an Ketten hängend, manche noch nicht tot und brüllend und mit den Beinen schlagend, und ihr Blut flattert wie ein breites rotes Band im Raum, der am Morgen blitzsauber ist und dessen Boden und Wände am Abend bedeckt sind mit den Spuren des Tötens, einem Film aus Blut und Fleisch und Fett und Exkrementen. An deinem ersten Tag in der Hölle wirst du dich übergeben, das geht fast jedem so, du wirst in das Loch kotzen, in das die Männer die Abfälle werfen, die Klauen und Geschlechtsteile und alle Eingeweide außer Herz und Leber, Lunge und Zunge. An deinem ersten Tag darfst du noch zusehen, wie die Tiere zerlegt werden, wie den Kühen, Stieren, Rindern und Kälbern die Hufe abgeschnitten werden, die Hörner und Ohren, wie ihnen die Augen herausgedreht und ins Loch geworfenwerden, wie sie mit riesigen Motorsägen, aus denen Wasser stiebt, in zwei Hälften zerteilt werden, und wie ihnen mit Maschinenkraft das Fell vom Leib gezerrt wird, was ein reißendes, schmatzendes Geräusch erzeugt, an das du dich vielleicht gewöhnen wirst, irgendwann, und das du ebenso wenig vergessen wirst wie Johns Lachen und Fluchen und das Brüllen und das Klacken der Hufe auf der Rampe und den Gestank nach Urin und Blut und Scheiße, der sich auf deine Zunge legt und in deine Haut eindringt und sich in deinem Innersten festsetzt für immer. An deinem ersten Tag in der Hölle darfst du dem Veterinär zusehen, der heute Dienst hat. Er heißt Trevor und hasst seine Arbeit, die so gar nicht dem entspricht, was er mal machen wollte, aber noch immer besser ist als die gelegentlichen Wochenendjobs bei Pferderennen, wo er meist vergeblich auf den Sturz eines Tieres wartet und nicht wetten darf. Er ist unverheiratet und zeigt dir Urlaubsbilder, und in den Pausen geht er mit den anderen hinaus ins Freie, obwohl er nicht raucht, und erzählt Witze, obwohl er es nicht kann. Trevor sammelt Fleischproben der Tiere, die im Labor im oberen Stockwerk nach Trichinen untersucht werden. Du hast während des Studiums Trichinen gesehen, aber in den vier Wochen, die du hier
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