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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Geistlichen war ein gewaltiger Regen niedergegangen, den vorherzusagen Tobey versäumt hatte. Feargal Walsh hatte geweint, weil er schon am Nachmittag betrunken war, weil die Dinge einen verheerenden Lauf nahmen, weil er alleine zurückblieb. Tobey erinnerte sich, seinem ehemaligen Nachbarn am Friedhofstor Geld zugesteckt zu haben, damit der ohne ihn saufen ging, und daran, wie Feargal ihn einfältig staunend angesehen hatte, die Augen leer und rot vor Verzweiflung und vom hemmungslosen Heulen, das am Grab sogar Father MacMahon irritiert hatte.
     
    Die Wunde an Tobeys Hinterkopf pochte. Er drehte sich auf die Seite und sah zum Fenster. Es war noch immer hell draußen. Da und dort begann ein Insekt die Stille anzuritzen, und ein aufkommender Wind ließ die Baumkronen rascheln. Das ferne Brummen des Traktors mischte sich in das Geräusch, Wellies Gebell, das Radio in der Küche, das lief, bis der Vater das Haus betrat. Tobey versank in seinem Bett, wurde schwer und sank tiefer, stürzte mit offenen Augen und ausgestreckten Armen, über sich Sterne, die kleiner wurden und schließlich verschwanden, während das Radio seinen Song spielte und alles immer heller wurde und irgendwann so weiß und leer und schmerzend, dass er die Augen schließen musste.

 
    Nachricht von Megan
     
    Kennst du mich, Tobey? Weißt du, wer ich bin? Vielleicht wärst du überrascht, wenn ich dir gewisse Dinge erzählen würde, kleiner Toto. Bestimmt würde dich einiges befremden, erschrecken. Zum Beispiel, dass ich Feargal Walsh umbringen wollte, unseren fetten, dummen Nachbarn Feargal, der mir mehr als einmal beim Heueinfahren an die Brüste fasste mit seinen schmierigen Händen, der seinen Hund prügelte, wenn er gesoffen hatte, und der in einem Loch hinter dem Haus den Abfall verbrannte. Erinnerst du dich, wie er von der Leiter fiel und sich den Fuß brach? Ich habe die oberste Sprosse angesägt. Und rate mal, wer die Bretter über der Jauchegrube durch morsche ersetzt hat. Weißt du noch, wie er wochenlang kein anderes Gesprächsthema hatte als diese Bretter? Wahrscheinlich fragt er sich noch heute, wie das Holz so schnell verrotten konnte. Reingefallen ist er nicht, seine Schubkarre rettete ihm das erbärmliche Leben. Jetzt bin ich froh, dass ich es nicht geschafft habe, aber damals hatte ich einen ganzen Sommer lang nur eines im Kopf: Wie töte ich diesen Scheißkerl und lasse es wie einen Unfall aussehen? Bestimmt hast du die Nacht nicht vergessen, in der seine Küche brannte und die Feuerwehr aus Killorglin angerast kam, um das Schlimmste zu verhindern. Das Feuer habe ich gelegt. Und zuvor den Hund von der Kette gelassen, den geschundenen Jack, der mir in dieser Nacht nicht von der Seite weichen wollte und dem ich davonrennen musste, zurück in mein Bett, vorbei an deinem Zimmer, in dem du nicht warst, weil du mit Jason und Mick und Barry rumhingst und erst durch das Sirenengeheul nüchtern wurdest und zur Walsh Farm gefahren bist, wo längst alles vorbei war, als ihr ankamt, und wo Feargal halbnackt auf einem Stuhl vor dem Haus saß und die Feuerwehrmänner anbrüllte, weil sieseine Küche unter Wasser gesetzt hatten, bis sie verschwanden, ohne beim Aufräumen zu helfen oder eine Feuerwache dazulassen. So hast du es mir jedenfalls erzählt am nächsten Tag, erinnerst du dich? Bist du jetzt schockiert, Toto? Erkennst du mich nicht wieder, kleiner Bruder? Dabei bin ich nicht böse, nicht schlecht. Ich habe einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, meine Gerechtigkeit. Damals, mit fünfzehn, musste Feargal für seine Taten sterben, so lautete mein Urteil, und ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, im Recht zu sein. Ich war Richterin und Henkerin, ich war Göttin. Hattest du jemals Angst vor mir, Tobey, ich meine, richtige Angst? Als ich dich für einen ganzen Tag in den Schrank sperrte, weil du das Krähennest mit den Eiern vom Baum geworfen hast. Dachtest du, ich lasse dich in dem Schrank verhungern und vermodern? Oder als du meinen Tierfriedhof verwüstet hast, glaubtest du, ich würde dein schwarzes Herz durchbohren und dich neben dem Marder und der Ratte verbuddeln? War es schlimm, mich als große Schwester zu haben, als wir älter wurden und uns Jahr für Jahr immer mehr in unsere eigenen Welten zurückzogen? Als wir aufhörten, zusammen auf die Hügel zu steigen und den Wolken zuzusehen, wie sie über das Meer kamen, um Irland zu ersäufen und England zu benetzen, und wir nur noch das Nötigste miteinander redeten, bis

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