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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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arbeitest, wirst du keine sehen, höchstens Würmer, Verletzungen und Geschwüre. Du wirst in diesen vier Wochen, die dir wie eine Ewigkeit erscheinen werden, alte, magere Kühe sehen, die geduldig und mit leerem Blick auf ihren Tod warten, und verschüchterte Kälber, die sich in der Wartebucht aneinanderdrängen und bei jedem Knall des Bolzens so heftig zusammenzucken, dass einigen die dünnen Beinchen wegknicken und sie auf den mit Ausscheidungen verschmierten Betonboden fallen. Du wirst Rinder und junge Stiere sehen, bei denen die Betäubung versagt hat und die bei vollem Bewusstsein von der Kette hochgezerrt und aufgeschlitzt werden, und du wirst das Fegefeuer sehen, eine stinkende, verrußte Kammer, wo den Schweinen, die in einer endlosen Prozession herangleiten, die Borsten weggebrannt werden. Wenn du draußen stehst, um für ein paar Minuten dem Lärm und Gestank zu entgehen, siehst du den Rauch aus dem Kamin steigen, eine schwarze zerfranste Schleife, die bei schlechtem Wetter über den Platz weht und den Regen grau färbt. Dann bleibst du drin und setzt dich in der Umkleidekabine auf den Boden, damit du die Bank nicht mit dem Blut verschmierst, und durauchst eine Zigarette, obwohl es verboten ist, nur um den Geschmack im Mund loszuwerden. Du sitzt da und starrst an die Wand und siehst die Kuh vor dir, die von der Decke hängt und aufgeschnitten wird und aus deren Bauch ein Fetus rutscht und auf den Boden klatscht, ein Kälbchen in der Fruchtblase, klein wie eine Katze, hell, beinahe durchsichtig, die Augen geschlossen, friedlich, wie selig darüber, nie in diese Welt hineingeboren zu werden. Und wenn es Zeit ist, drückst du die Zigarette auf deiner Haut aus, stehst auf und gehst zurück. Immer wieder gehst du zurück. Warum ich dir das schreibe, Tobey? Damit du vielleicht verstehst, was ich dir noch erzählen werde.
     
    Wer liebt dich?
    Megan!

 
    4
     
    Tobey wollte nicht sterben. Er wollte weder an Händen und Füßen gefesselt verdursten noch von dem bärtigen Kind ermordet werden. Er wollte Megan finden oder eine weitere Spur, die zu ihr führte. Im Aschehaufen lag ein größeres Scherbenstück, das er in die Ritze zwischen zwei Bodenbrettern klemmte und an dem er erneut versuchte, das Seil, mit dem seine Füße zusammengebunden waren, durchzuschneiden. Immer wieder hob er den Kopf und sah durch die Türöffnung, doch der Bonobo tauchte nicht mehr auf. Fliegen, so klein, dass ihre Flügel kein hörbares Summen erzeugten, umschwirrten ihn. Es war heiß, er schwitzte und wusste, er würde erneut ohnmächtig werden, wenn er nicht bald etwas trank. Mechanisch bewegte er die Beine, sein Körper schien es aufgegeben zu haben, Schmerzen zu empfinden.
    Er stellte sich vor, tot zu sein und von Tieren gefressen zu werden, von Ratten und Vögeln, von Ameisen, Maden und Würmern. Vielleicht würde der Bonobo kommen und die Hose und das T-Shirt nehmen. Die Vorstellung, in Unterhosen dazuliegen, war ihm unangenehm, dann versetzte sie ihn in Panik. Wie in einem nie endenden schlechten Traum bewegte er die Beine vor und zurück. Seine Knochen schimmerten durch die Haut, er konnte sein Skelett unter der lächerlich dünnen Hülle sehen. Faden um Faden löste sich das Seil auf, und als es entzwei war, musste Tobey sich beherrschen, um nicht zu weinen. Er lag da und spürte, wie sein Herz schlug, ein rasselnder Laut kam aus seiner Kehle. Das Blut an seinen Fußgelenken trocknete. Fliegen setzten sich darauf, aber er hatte nicht die Kraft, sie zu verscheuchen. Ein letzter leiser Ton von Megans Singsang kreiste in seinem Schädel und verhallte.
    Schließlich erhob Tobey sich, fiel hin und blieb minutenlang auf demBauch liegen. Erst beim dritten Versuch gelang es ihm, stehen zu bleiben. Er ging ein paar Schritte, langsam und unsicher, und trat ins Freie. Der Himmel hatte an Helligkeit eingebüßt, alles verlor sich im Ungefähren: die Farben, die Formen, die Schatten. Tobey lehnte sich gegen die Wand und sah zu der Öffnung, die in den Wald führte. Sie schien unendlich weit entfernt zu sein. Er wartete, bis er ein wenig Gefühl in den Beinen hatte, dann ging er ein paar Schritte über den Platz. Immer wieder stolperte er und fiel hin, blieb eine Weile liegen, erhob sich und taumelte weiter. Seine Schultergelenke brannten wie Feuer, aber die Hände auf seinem Rücken spürte er nicht mehr. Im Schuppen würde er versuchen, das Seil an der Kante eines Wellblechs durchzuscheuern. Sobald seine Hände frei wären, würde er

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