Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
die wenigen Jahre, die seit unserer Geburt vergangen sind. Im Falle von Wasserstoff sind es fast 14 Milliarden Jahre, bei den anderen Elementen sind es mindestens 5 Milliarden Jahre. Wie nähern sich Astronomen dieser kosmischen Vergangenheit nun an?
1.2. Stellare Archäologie
Genauso wie die Archäologen nach Überresten von früheren Kulturen und Zeitaltern suchen, beschäftigt sich die Stellare Archäologie anhand von Sternen mit der Frühzeit des Kosmos. Aber man gräbt nicht in Staub und Dreck bei sengender Sonne irgendwo in der Wüste, sondern man sucht am Himmel Nacht für Nacht nach uralten Sternen aus der Zeit kurz nach dem Urknall. Grundlage dafür ist eine Himmelsdurchmusterung, die der Auswahl eines Grabungsplatzes entspricht. In einer Himmelsdurchmusterung sind alle Objekte, die mit Hilfe eines bestimmten Teleskops in einer bestimmten Himmelsregion sichtbar sind, mit Positionen, Helligkeiten und eventuell weiteren Eigenschaften wie Farben aufgelistet.
Nun beginnt die mühsame Arbeit, den jeweiligen riesigen Katalog von Sterneinträgen mit Hilfe von Computeralgorithmen durchzuarbeiten. Damit beginnen sozusagen die Ausgrabungen. Abbildung 1.3 deutet diese Herangehensweise an. Irgendwann stößt man dabei auf möglicherweise interessante Objekte, die aber erst einmal zur Seite gelegt werden, um sie dann in einem nächsten Arbeitsschritt genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu werden dann nur kleine bis mittelgroße Teleskope mit Spiegeldurchmessern von 2 bis 4 Metern benötigt.
Das Spiel wiederholt sich nun: Die meisten Sterne sind nicht interessant genug für weitere Beobachtungen. Nur die besten, vielversprechendsten Objekte werden ein zweites Mal, dann aber mit den größten Teleskopen der Welt beobachtet. Und auch dann braucht man noch ein Quäntchen Glück. Nur wenige solcher Objekte stellen sich letztendlich als wirklich wichtige Beiträge für den Fortschritt der Wissenschaft heraus. Aber genau diese uralten Sterne am Himmel auszugraben ist das Ziel.
Abb. 1.3 : Das »Ausgraben« der alten Sterne. Es werden große Himmelsdurchmusterungen benötigt, um einige dieser seltenen Objekte finden zu können.
Heute gibt es umfassende Durchmusterungen der Milchstraße, die Astronomen mit vielen Sterndaten versorgen und helfen, die lange Entwicklungsgeschichte des Universums fast bis zum Anfang zurückzuverfolgen. Abbildung 1.C im Farbbildteil zeigt die Andromeda-Galaxie, unsere etwas größere Schwester-Galaxie, als ein Beispiel dafür, wie die Milchstraße von weitem betrachtet aussehen könnte. Jede neue Erkenntnis zum Aufbau und der Entwicklung der Milchstraße führt unweigerlich zu einem umfassenderen Verständnis von anderen Galaxien wie z.B. Andromeda.
Abb. 1.C
Das Ziel der Astronomen ist dabei, alte Sterne zur Beantwortung einer ganzen Reihe von fundamentalen Fragen heranzuziehen, in ähnlicher Weise wie Archäologen die Siedlungsreste von Steinzeitmenschen ausgraben, um zu rekonstruieren, wie diese Menschen und in welcher Umgebung sie lebten. Genauso versucht die Stellare Archäologie mit konkreten Beobachtungsdaten die Eigenschaften der ersten gigantischen Supernova-Explosionen zu rekonstruieren, die wie riesige Fontänen die neu synthetisierten Elemente in ihre Umgebung sprühten. Welche Elemente wurden dabei produziert und in welchen Mengen? Erschließen sich daraus die Bedingungen für die frühe Stern- und Galaxienentwicklung?
Als Stellare Archäologen untersuchen wir vornehmlich die chemische Zusammensetzung der ältesten Sterne in der Milchstraße. Dieses Konzept ist in Abbildung 1.4 dargestellt. Es bedeutet, dass wir mit Hilfe dieser gemessenen Elementhäufigkeiten der Sterne die Entstehungsgeschichte der chemischen Elemente fast bis kurz nach dem Urknall rekonstruieren können. Dies ermöglicht uns, in die frühesten Epochen unserer Heimatgalaxie zu blicken sowie spezielle Aussagen über die Entstehung von Sternen und auch Galaxien im frühen Universum zu machen.
Abb. 1.4 : Die Aufgabe eines Stellaren Archäologen: Bestimmung der chemischen Zusammensetzung alter Sterne. Dafür ist Feinarbeit und Geduld gefragt.
Die Himmelsdurchmusterungen des letzten Jahrzehnts, mit denen wir die alten Sterne systematisch aufspüren, sind zwar noch nicht ganz ausgereizt, doch neue Projekte versprechen noch mehr: Im Arbeitsgebiet der Stellaren Archäologie herrscht eine regelrechte Aufbruchstimmung. Seit 2012 bringt die australische SkyMapper-Durchmusterung riesige Datenmengen hervor. Diese
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