Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Astronomen Ejnar Hertzsprung und dem Amerikaner Henry Norris Russell benannte »Hertzsprung-Russell-Diagramm« liefert das nötige Hilfsmittel, um Ordnung in die Vielfalt der Sterne zu bringen. Es ist eines der wichtigsten »Arbeitsgeräte« in der Stellaren Astronomie und ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Da sich die unterschiedlichen Sterntypen in ihrer Oberflächentemperatur, Leuchtkraft und Zusammensetzung in ganz bestimmter Weise unterscheiden, ordnen sich die Sterne in diesem Diagramm in verschiedenen deutlichen Sequenzen an.
Abb. 4.1 : Das Hertzsprung-Russell-Diagramm für Sterne in der Umgebung der Sonne. Die verschiedenen Äste und Gebiete sind deutlich zu erkennen.
So werden in einem Hertzsprung-Russell-Diagramm die Temperatur der Sterne auf der horizontalen Achse und ihre Leuchtkraft auf der vertikalen Achse aufgetragen. Dabei befinden sich heiße Sterne auf der linken Seite und kühle auf der rechten. Leuchtschwache Sterne sind im unteren Teil anzutreffen, während sich leuchtkräftige im oberen Teil befinden. Temperatur und Leuchtkraft werden entweder theoretisch berechnet oder beruhen auf beobachteten Daten. Es gibt einige äquivalente physikalische Messgrößen, die sowohl die Temperatur als auch die Leuchtkraft beschreiben. Beispiele sind die Farbe oder die Spektralklasse eines Sterns, die seine Temperatur andeuten, und die absolute Helligkeit, die ein Maß für die Leuchtkraft ist. Und auch die Schwerebeschleunigung an der Oberfläche eines Sterns ist ein Maß für seine Leuchtkraft.
Im Hertzsprung-Russell-Diagramm ordnen sich alle Sterne in verschiedenen Reihen und Gebieten an, welchen man der Einfachheit halber verschiedene Namen gegeben hat. Abbildung 4.2 illustriert die verschiedenen Reihen und Äste schematisch. Die sogenannte Hauptreihe ist am einfachsten zu erkennen. Sie verläuft deutlich sichtbar von unten rechts im Diagramm nach oben links. Der Punkt auf der Hauptreihe, an dem die Sterne in Richtung »Riesenast« abbiegen, nennt man Turn-off-Punkt (»Abknickpunkt«). Der Riesenast kann dann deutlich im rechten, kühlen Teil des Hertzsprung-Russell-Diagramms gesehen werden: Er verläuft diagonal nach rechts oben, wie der Ast eines Baumes.
Abb. 4.2 : Die Entwicklungswege in einem schematischen Hertzsprung-Russell-Diagramm, die jeder Stern entsprechend seiner Masse während seines Lebens durchläuft.
Als das Hertzsprung-Russell-Diagramm um 1910 entwickelt wurde, diente es lediglich der Klassifikation der Sterne. Der physikalische Hintergrund war damals noch gänzlich unbekannt, auch wenn die Anordnungen der Sterne zu (erst einmal hauptsächlich falschen) Spekulationen zur zeitlichen Entwicklung von Sternen führten. Erst mit dem Wissen, dass Sterne ihre Energie aus der Kernfusion beziehen und dass diese Vorgänge die Sternentwicklung bestimmen, konnte ein theoretisches Verständnis entwickelt werden, das den Anordnungen der Sterne im Hertzsprung-Russell-Diagramm zugrunde liegt. Was heutzutage über die physikalischen Zustände dieser unterschiedlichen Stadien in einem Sternleben bekannt ist, basiert größtenteils auf sehr aufwendigen Computer-Modellrechnungen zur Sternentwicklung, einem bewährten Teilgebiet der Astrophysik. Die Ergebnisse dieser Rechnungen werden dann mit den beobachteten Eigenschaften der realen Sterne, z.B. deren Position im Diagramm, verglichen und so Stück für Stück verbessert und optimiert.
Dennoch ist es bemerkenswert, dass wir mit Hilfe des Diagramms in gewisser Weise nachvollziehen können, was in jedem Sternzentrum geschieht und in welcher Entwicklungsphase sich ein Stern befindet. Denn die Position im Hertzsprung-Russell-Diagramm hängt auf ganz bestimmte Art davon ab, welche Elemente im Kern und den darüberliegenden sogenannten Brennschalen fusioniert werden. Der Stern und die Sternoberfläche reagieren dementsprechend, z.B. auf einen Energieverlust im Kern mit einem Aufblähen. Dies ist ein Effekt, dessen Resultat beobachtet wird, denn alle Beobachtungen beziehen sich immer auf den äußeren Teil des Sterns und nie auf sein Inneres.
So können Astronomen heutzutage relativ einfach nachvollziehen, was bestimmte Anordnungen von Sternen im Hertzsprung-Russell-Diagramm zu bedeuten haben. Wie läuft diese Entwicklung nun ab? Die verschiedenen Entwicklungsphasen gehen auf die unterschiedlichen Kernfusionsprozesse im Sternzentrum zurück, die, wenn sie sich ändern, den Stern jedes Mal in eine neue Lebensphase eintreten lassen. Kapitel 4.3 und 4.4 beschreiben
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