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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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17:44 Uhr, 8 Minuten vor der Angst

    Schnellen Schrittes ging Stella durch die graulackierte, offenstehende Holztür, die in einen Torbogen eingearbeitet war. Vor dem oberen Bogenfenster befand sich ein rundes Metallkunstwerk, in das liebevoll der Schriftzug Schwarzer Bäckerei eingefügt war. Eine kleine, gemütliche Backstube mit unvergleichlichen Kipferln, die Stella überaus liebte. Genauso wie die netten Verkäuferinnen. Manchmal kam sie auch nur wegen einem Schwätzchen vorbei.
    Stella war 26 Jahre alt und mit ihrem Leben im Großen und Ganzen zufrieden. Sie hatte eine schlanke, weibliche Figur, wofür sie die meisten Frauen beneideten, aber auch mieden. Ihr gewelltes hellbraunes, schulterlanges Haar passte perfekt zu ihren kastanienbraunen Augen. Kurz zusammengefasst, war Stella eine rundum attraktive Frau.
    »Abend, Katie«, begrüßte sie die Verkäuferin hinter der Auslage. »Schöner Tag heute.«
    »Kannst du laut sagen«, stimmte Katie mit ein. »Und kaum haben wir Sonnenschein, rennen mir die Leute die Bude ein.« Sie lachte über ihren albernen Reim. »Mann bin ich froh, wenn ich endlich Feierabend hab.«
    Katie war das vollkommene Gegenstück zu Stella, nicht größer als einssechzig, rundlich und gut genährt. Sie mochte keine Schönheit sein, doch mit ihrem rotbraunen Lockenkopf und den strahlendblauen Augen versprühte sie eine solche Lebensfreude, dass man sie einfach liebhaben musste. Stella und Katie waren im letzten Halbjahr richtig gute Freunde geworden.
    »Ach, du Arme«, heuchelte Stella Mitleid vor, »dir geht’s ja so schlecht.«
    »Solche Sprüche kannst du dir getrost sparen.«
    »Du weißt doch, wie es gemeint ist«, entschuldigte sich Stella. »Wann ist denn Schluss?«
    »Heute bis zum bitteren Ende. Also noch …«, Katie hielt inne. Sie blickte wie erstarrt auf die Wanduhr. »Verdammt, das hätte ich ja fast vergessen.«
    »Was ist denn?«, fragte Stella verwirrt, bekam aber keine Antwort, da Katie bereits in der hinteren Stube verschwunden war.
    Nach einer knappen Minute tauchte sie wieder im Verkaufsraum auf. In ihrer rechten Hand hielt sie einen beigefarbenen Briefumschlag.
    »Typisch. Was man nicht im Kopf hat …«
    »… hat man in den Beinen«, beendete Stella das Sprichwort. »Was ist denn jetzt so wichtig?«
    »Müsstest du das nicht am besten wissen?«, stellte Katie eine Gegenfrage.
    »Wie meinst du das?«
    »Hat dir dein Freund denn nichts gesagt?«
    Katie war sichtlich überrascht.
    »Welcher Freund ?!« Stella reihte sich in die Verwirrtheit mit ein. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Warte.«
    Katie sah ein weiteres Mal auf die Uhr. Erst als der große Zeiger auf die Zweiundfünfzig sprang, widmete sie sich erneut ihrer Freundin.
    »Geschafft. Bitteschön.«
    Sie überreichte ihr den Umschlag.
    Stella nahm ihn zerstreut entgegen.
    »Äh … und jetzt?«
    »Aufmachen natürlich.«
    »Aber …«
    Erst jetzt bemerkte sie den handgeschriebenen Namen in der Mitte des Briefumschlags. STELLA.
    »Dein Freund kam vor etwa einer Stunde in den Laden und hat mir den Umschlag in die Hand gedrückt. Er meinte, du wüsstest schon, um was es geht und ich soll ihn dir um genau 17:52 Uhr geben.«
    »Wie bitte? Was?« Stella verstand die Welt nicht mehr. »Welcher Freund , Katie? Und warum um diese Uhrzeit?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich würde einfach mal den Umschlag öffnen und dann siehst du schon, was er von dir will.«
    »Ja«, gestand Stella, »vielleicht hast du recht.«
    Mit leicht zittrigen Fingern öffnete sie den Briefumschlag. Nichtsahnend, was sie gleich erwarten würde. Doch wer plante schon an einem so sonnigen Dienstag die Hölle auf Erden?

    Die Eingangstür, in einem einfachen Weiß gehalten, fiel zurück ins Schloss. Ben warf seinen Schlüsselbund in die dafür vorgesehene, goldrote Schüssel zu seiner Linken, die wiederum auf einem schmalen Schuhregal stand.
    Froh, endlich Zuhause zu sein, wollte Ben nur noch aus seinen Arbeitsklamotten schlüpfen und ein wohltuendes heißes Bad nehmen. Heute hatten ihn die übrigen Mieter mal wieder mehr als nur Nerven gekostet. Keine Ahnung wie viel Lebenszeit er diesmal einbüßen musste.
    »Bin zurück!«, rief er durch den kurzen, schmalen Flur.
    Die Worte galten seiner Mutter. Sie lebten gemeinsam in der Dreizimmerwohnung eines Burgweintinger Mietshauses. Sein Vater war vor vier Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Seitdem hatte es Ben nicht übers Herz gebracht, seine Mutter zu verlassen. Aber im Grunde

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