Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Jahre alt ist. Aber was kann man von diesen Greisen über die Entwicklungsgeschichte der Milchstraße lernen? Aus der Anordnung und dem Alter der offenen Sternhaufen und der Kugelsternhaufen in unserer Milchstraße konnte man schon vor Jahrzehnten auf die grobe Struktur der Galaxie schließen. Denn vereinfacht gesagt, kann man sich vorstellen, dass die Milchstraße aus einer riesigen Gaswolke entstand, in der gewaltige Gebiete langsam in sich zusammenfielen und die zentrale Region bildeten. Um stabil zu bleiben, begann sich das Gas in einer riesigen Scheibe anzusammeln und um deren Zentrum zu rotieren. Die alten Kugelsternhaufen deuten an, dass diese Prozesse wohl vor sehr langer Zeit stattgefunden haben müssen. Seitdem entstanden unzählige Sterne in offenen Sternhaufen in der Scheibe, die sich in den entstehenden gasreichen Spiralarmen anordneten.
Abb. 6.G
Da die offenen Sternhaufen relativ jung sind, ist anzunehmen, dass sie sich noch nahe an dem Ort befinden, an dem sie entstanden sind. Daraus kann man wiederum schließen, dass die Spiralarme Gebiete mit sehr vielen Vorräten an Gas und Staub sein müssen, so dass dort häufig neue Sterne geboren werden. Als man Entfernungen zu offenen Sternhaufen messen konnte, zeigte sich, dass sich die Sternhaufen in drei dickeren Reihen um das Milchstraßenzentrum anordneten. Diese leicht gekrümmten Reihen waren nichts anderes als Teilstücke der Spiralarme, in denen die Sternhaufen sitzen. Und so wurde die Spiralstruktur der Milchstraße historisch mittels solcher offenen Sternhaufen entdeckt und kartiert. Weiterhin lieferten die Entfernungen der Sternhaufen Auskunft über die Größe und Entfernung der einzelnen Spiralarme zueinander. Auf diese Weise kann letztendlich die gesamte Größe der Milchstraße abgeschätzt werden. Heutzutage wird die Kartographie mit Hilfe der Radioastronomie und der Vermessung des Wasserstoffgases in der Scheibe vorgenommen.
Sternhaufen spielen eine große Rolle in der Astrophysik. Da ihre Mitglieder praktisch alle gleich alt, gleich zusammengesetzt und gleich weit von der Sonne entfernt sind, eignen sie sich vorzüglich, um die ganze Bandbreite von Sterneigenschaften zu studieren. Es ist ein bisschen wie bei Menschen: Menschen sind sehr verschieden, schon rein äußerlich. In einer Schulklasse sieht man die Bandbreite menschlicher Eigenschaften in einer Stichprobe von etwa gleich alten Individuen. Verschiedene Schulklassen zeigen die Alterungseffekte beim Menschen. In diesem Sinne können wir Sternhaufen als die Schulklassen des Universums ansehen – sie zeigen uns die Fülle der Sterneigenschaften und Alterungseffekte, wenn wir verschiedene Sternhaufen miteinander vergleichen.
Jeder Stern nimmt gemäß seinem Entwicklungsstadium eine bestimmte Position im Hertzsprung-Russell-Diagramm ein. Die Details sind in Kapitel 4 beschrieben. Mit Hilfe einer Helligkeit (Leuchtkraftindikator) und einer Farbe (Temperaturindikator) kann ein solches Diagramm auch für einen Sternhaufen erstellt werden. Es wird dann Farben-Helligkeits-Diagramm genannt, hat aber die gleiche Aussagekraft wie ein Hertzsprung-Russell-Diagramm. Mit Vorwissen zur Sternentwicklung kann man anhand des Farben-Helligkeits-Diagramms eines Sternhaufens dessen momentanes Entwicklungsstadium ermitteln, denn alle Haufensterne ordnen sich in den uns bekannten Reihen und Gebieten an. Ein Stern befindet sich weiter links oben auf der Hauptreihe, wenn er massereicher und leuchtkräftiger ist, oder weiter rechts unten. Dort sitzen die masseärmeren, schwächer strahlenden Sterne. Weiterhin hängt die Lebensdauer eines Sterns von seiner Masse ab: Massereichere Sterne haben kürzere Lebenszeiten als masseärmere.
Das Farben-Helligkeits-Diagramm eines sehr jungen Sternhaufens, etwa der Plejaden, zeigt eine stark ausgeprägte Hauptreihe. Die 115 Millionen Jahre jungen Sterne haben noch keine wesentlichen Entwicklungsphasen durchlaufen, so dass sich noch kein Stern im Bereich des Riesenastes befindet. Dieses Verhalten kann in Abbildung 6.4 (oben) betrachtet werden.
Ein etwas älterer Sternhaufen, wie z.B. Praesepe mit 730 Millionen Jahren, zeigt in seinem Farben-Helligkeits-Diagramm schon einige Merkmale für Sternentwicklung. In Abbildung 6.4 (Mitte) ist deutlich zu sehen, dass der obere Teil der Hauptreihe nicht mehr ganz besetzt ist und sich die massereicheren Sterne mit ihrer kürzeren Lebensdauer stattdessen schon im Gebiet der Roten Riesen befinden. Auf dem unteren Abschnitt der
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