Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
anschließend tut. Doch viele schwere Straftäter schieben die Schuld an ihren Taten zumindest teilweise auf das Verhalten ihrer Opfer. Dadurch fühlen sie sich besser, weil sie vor sich selbst und – falls sie überführt werden – auch gegenüber anderen ihre Taten irgendwie begründen können.
Monique ihrerseits könnte sich dafür schämen, falls sie sich zunächst freiwillig von Rodney hat fesseln lassen. Vor allem Opfer von Sexualstraftaten geben sich manchmal selbst die ganze oder zumindest eine Teilschuld an dem, was die Täter ihnen antun. Es braucht oft viele Jahre Therapie, bis sie dieses unangebrachte Schuldgefühl nicht mehr empfinden. Sollte Monique ein solches Gefühl gehabt haben, könnte sie sich zu sehr geschämt haben, um in diesem Punkt die Wahrheit zu sagen. Somit hätten sowohl Rodney als auch Monique einen guten Grund, genau an dieser Stelle zu lügen.
Welche der beiden Versionen stimmt, spielt für das, was ab einem gewissen Punkt in Rodneys Kopf passiert, aber auch keine große Rolle. Zu diesem Zeitpunkt hat er seine stärkste sexuelle Phantasie – Frauen gegen ihren Willen zu quälen und zu erniedrigen – seit Monaten nicht mehr ausleben können. Mit der nackten Monique völlig allein in der Wildnis zu sein, hat seine sexuelle Erregung aber immer mehr gesteigert. Irgendwann bricht die Kontrolle über sein stärkstes Verlangen zusammen. Als die Polizeibeamten ihn später fragen, warum er Monique brutal vergewaltigt hat, meint er das, was er antwortet, völlig ernst. Dennoch wird es kein normaler Mensch nachvollziehen können: »Du bist in einer unvernünftigen Situation. Dein Gehirn und du wissen einfach nicht, was zu tun ist … Du bist nicht vernünftig … Du denkst nicht nach … Ich vergewaltigte sie.«
Rodney beißt Monique in die Brüste und den Schambereich. Dann vergewaltigt er sie vaginal und anal. Als sie vor Schmerzen schreit, fährt Rodney sie an, sie solle still sein, und knebelt sie mit ihrem T-Shirt. Irgendwann während der Vergewaltigungen beginnt er sie mit den Händen bewusstlos zu würgen. Nach einer Weile, als Rodney bereits von ihr abgelassen hat, kommt Monique wieder zu sich. Sie spürt, dass ihre Hand- und Fußgelenke gefesselt sind, und bleibt reglos. Neben sich hört sie ein Schluchzen. Als sie vorsichtig ein Auge öffnet, sieht sie Rodney neben sich liegen. Er weint.
Ihr wird klar, dass sie nur überleben kann, wenn es ihr gelingt, Rodneys Sympathie zu gewinnen. Was sie dann tut, rettet ihr wahrscheinlich das Leben. Monique rollt sich ein Stück zu ihm herüber, berührt seinen Arm vorsichtig und fragt freundlich: »Bist du okay?« Er sagt nichts, tut aber auch sonst nichts. Dann bittet sie ihn in verzweifeltem Ton, niemandem zu erzählen, was passiert ist. Als er weiterhin schweigend neben ihr liegt, fragt sie ihn, ob er sie zu sich nach Hause mitnehmen könnte. Sie würde gerne mehr Zeit mit ihm verbringen. Obwohl Rodney nichts sagt, löst er nach einigen Minuten ihre Fesseln und gestattet ihr, sich anzuziehen. Gemeinsam kehren sie zu seinem Auto zurück und fahren durch die Berge in Richtung Stadt, ohne ein Wort zu sagen.
Rodney fährt mit Monique nach Riverside und geht mit ihr in ein Geschäft, wo er eine Flasche Limonade kauft. Dann sagt er ihr, dass er kurz zur Toilette muss. Sie sagt, sie würde auf ihn warten. Als sich die Toilettentür hinter ihm schließt, läuft Monique in ein Motel neben dem Geschäft. Sie schreit panisch, dass sie vergewaltigt und entführt wurde und dass jemand die Polizei rufen soll. Rodney merkt, als er aus der Toilette kommt, was passiert ist, und fährt schnell mit seinem Auto zum Haus seiner Mutter. Währenddessen wird Monique von der Polizei aufs Revier gebracht, wo sie sich Fotomappen mit den Bildern vorbestrafter Sexualstraftäter aus der Gegend anschauen soll. Als sie Rodneys Gesicht sieht, sagt sie sofort, dass er der Täter ist.
Die Polizei sucht ihn daraufhin im Haus seiner Mutter auf: Er wirkt völlig gelassen. Dennoch kann er nicht plausibel beantworten, was er den Tag über gemacht hat. Er lässt sich widerstandslos festnehmen und aufs Revier bringen. Dort gesteht er, Monique vergewaltigt zu haben. Einige Tage später wird er einem Richter vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft fordert, ihm eine Kaution von 50000 Dollar aufzuerlegen. Der Richter setzt Rodneys Kaution auf nur 10000 Dollar fest. Seine Mutter glaubt an die Unschuld ihres Sohnes und zahlt die Kaution. Somit kommt Rodney nur einen Monat nach der Tat
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