Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
Mutter. Noch am gleichen Abend, kurz nach halb zehn, ruft er seine damalige feste Freundin Elizabeth Moore an. Es ist ein ganz normales Gespräch, Elizabeth fällt nichts Ungewöhnliches auf. Sie hat mit Rodney, seit sie ihn näher kennt, »normalen« Sex und ahnt nicht ansatzweise, mit wem sie da eine Beziehung eingegangen ist.
Dass ein Mensch direkt nach einer solchen Tat auf jene, die ihm nahestehen, völlig unauffällig wirken kann, erscheint auf den ersten Blick unbegreiflich. Doch Rodney schlüpft, sobald er das Haus seiner Mutter betritt, wieder in die Rolle des »lieben, etwas verrückten Jungen«. In dieser Rolle telefoniert er auch mit Elizabeth. Ein psychopathischer Interviewpartner von mir, der ebenfalls ein Doppelleben zu führen gewohnt ist, erklärte genau dies mit den Worten:
»Wenn ich mit meiner Freundin telefoniere oder sie treffe, dann sind diese anderen Dinge, die ich heimlich tue, für mich sehr weit weg. Ich weiß schon irgendwo, dass diese anderen Teile meines Lebens da sind. Doch ich denke ganz unwillkürlich fast nie daran, wenn ich gerade mit meiner Freundin beschäftigt bin. Es ist wie im Film ›Matrix‹, wo dieselbe Person in sehr unterschiedliche Welten gehen und sie wieder verlassen kann. Die Welt mit meiner Freundin ist eine von mehreren Welten in meinem Leben. Bin ich in der einen Welt, dann sind die anderen Welten so weit weg, dass sie mich meistens nicht beeinflussen.«
Der Seelensammler
Am 21. Juni 1979 kehrt Rodney zum Tatort zurück. Er befriedigt sich nochmals an der gerade einen Tag alten Leiche. Täter mit einer sexuellen Phantasie wie der seinen tun dies gelegentlich, weil sie den »Genuss« der Tat länger auskosten wollen. Der Mord an Robin ist für Rodney in vielerlei Hinsicht noch erregender als seine bisherigen Taten. Das macht es für ihn umso verführerischer, zu ihrer Leiche zurückzukehren – trotz der Gefahr, gesehen zu werden.
Einerseits ist Robin jünger als seine Opfer in den letzten Jahren. Sie ist ein auffällig hübsches Mädchen, das auf ihn lieblich, unschuldig und hilflos wirkt. Umso erregender ist für ihn die Vorstellung, ihr Leben auslöschen zu können, und zwar auf die Art, die ihn ultimativ befriedigt. Es ist die absolute Macht über das »perfekte Spielzeug«. In seiner Vorstellung wird er damit zu Robins Gott, denn ihr Körper und ihr Leben gehören ab dem Moment, als sie in seinem Wagen sitzt, unwiderruflich ihm allein.
Auch die Art, wie er Robin tötet, ist eine Steigerung dessen, was er bisher getan hat. Seine Opfer zu erniedrigen, zu verängstigen, mit unglaublichen Schmerzen zu quälen und schließlich langsam zu töten, das war schon immer der Kern seiner Phantasie. Doch von Tat zu Tat hatte er mehr Erfahrungen gesammelt, was ihn besonders sexuell erregt und was er alles mit seinen Opfern tun kann, bevor und nachdem sie tot sind.
Die späteren Ermittlungen ergeben, dass es Rodney nicht nur besonders erregte, seine Opfer zu strangulieren. Er ließ sie alle zunächst immer wieder aufwachen, strangulierte sie wieder bewusstlos, ließ sie wieder aufwachen. Das alles, während er sie vergewaltigte und ihnen unglaubliche Schmerzen zufügte. Dadurch konnte er fühlen, dass ihr Leben wirklich in seinen Händen liegt. Dass er entscheidet, wie oft sie nochmals aufwachen, wie lange sie noch unerträgliche Schmerzen fühlen. In ihren Augen zu sehen, dass er nun ihr Gott ist. Das ist es, was ihn ultimativ erregt und wodurch er sich selbst wirklich lebendig fühlt.
Den abgelegenen Wald, in den er Robin brachte, wählte er bewusst. Dort würde ihn niemand stören. Es war egal, wie laut und wie lange Robin schrie, niemand außer ihm würde sie hören. Er konnte sich so viel Zeit mit ihr lassen, wie er wollte. Alles, was er sich für seine ultimative Befriedigung vorstellen konnte, tat er dort.
Endlich konnte er noch viel weiter gehen als je zuvor. Sie würde es überleben, wenn er sie immer wieder bewusstlos würgte. Selbst wenn er sie dabei immer heftiger schlug. Er würde Robin damit immer wieder sterben lassen und sie durch Schmerzen ins Leben zurückholen. Rodney wollte sehen, wie sie weiter um ihr Leben kämpfte, während er schließlich immer wieder auf sie einstach. Robin langsam verbluten zu sehen, das war etwas Neues, etwas Aufregendes für ihn.
Robin nimmt in der »Sammlung« der Frauen und Mädchen, die Rodney in seinem Kopf für immer zu seinem Besitz gemacht hat, also in verschiedener Hinsicht einen ganz besonderen Platz ein. Für ihn
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