Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Bridgets gelbem Fahrrad alleine losfahren sieht. Das ist seine Gelegenheit. Mit dem Auto fährt er ihr hinterher und spricht sie an. Ob Rodney es mit Überredung oder Gewalt schafft, Robin in sein Auto zu bekommen, wird nie geklärt. Ihr Fahrrad verstaut er schnell im Kofferraum.
Dann fährt er mit Robin 65 Kilometer weit weg. Sein Ziel sind die Wälder in den Schluchten der San Gabriel Mountains, nahe der Sierra Madre. Zufällig fährt auch die 20-jährige Forstangestellte Dana Crappa an diesem späten Nachmittag mit ihrem Auto durch die Wälder nach Hause. Dabei beobachtet sie einen dunkelhaarigen Mann, der ein blondes Mädchen mit sich in die Wildnis zerrt. Das einzige Auto in seiner Nähe ist ein Datsun Cherry F-10.
Dana ist sich nicht schlüssig über das, was sie da beobachtet hat. Deshalb erzählt sie niemandem davon; sie verständigt auch nicht die Polizei. Die Entscheidung, an diesem 20. Juni 1979 tatenlos weitergefahren zu sein, wird Dana für den Rest ihres Lebens zutiefst bereuen. Rodney vergewaltigt Robin, beißt sie, würgt sie immer wieder bewusstlos und schlägt heftig gegen ihren Kopf. Dann sticht er unzählige Male mit einem Tranchiermesser auf sie ein, bis sie langsam verblutet. Ihre Leiche lässt er im Wald liegen.
Anschließend fährt er zurück zum Haus seiner Mutter. Noch am gleichen Abend, kurz nach halb zehn, ruft er seine damalige feste Freundin Elizabeth Moore an. Es ist ein ganz normales Gespräch, Elizabeth fällt nichts Ungewöhnliches auf. Sie hat mit Rodney, seit sie ihn näher kennt, »normalen« Sex und ahnt nicht ansatzweise, mit wem sie da eine Beziehung eingegangen ist.
Dass ein Mensch direkt nach einer solchen Tat auf jene, die ihm nahestehen, völlig unauffällig wirken kann, erscheint auf den ersten Blick unbegreiflich. Doch Rodney schlüpft, sobald er das Haus seiner Mutter betritt, wieder in die Rolle des »lieben, etwas verrückten Jungen«. In dieser Rolle telefoniert er auch mit Elizabeth. Ein psychopathischer Interviewpartner von mir, der ebenfalls ein Doppelleben zu führen gewohnt ist, erklärte genau dies mit den Worten:
»Wenn ich mit meiner Freundin telefoniere oder sie treffe, dann sind diese anderen Dinge, die ich heimlich tue, für mich sehr weit weg. Ich weiß schon irgendwo, dass diese anderen Teile meines Lebens da sind. Doch ich denke ganz unwillkürlich fast nie daran, wenn ich gerade mit meiner Freundin beschäftigt bin. Es ist wie im Film ›Matrix‹, wo dieselbe Person in sehr unterschiedliche Welten gehen und sie wieder verlassen kann. Die Welt mit meiner Freundin ist eine von mehreren Welten in meinem Leben. Bin ich in der einen Welt, dann sind die anderen Welten so weit weg, dass sie mich meistens nicht beeinflussen.«
Der Seelensammler
Am 21. Juni 1979 kehrt Rodney zum Tatort zurück. Er befriedigt sich nochmals an der gerade einen Tag alten Leiche. Täter mit einer sexuellen Phantasie wie der seinen tun dies gelegentlich, weil sie den »Genuss« der Tat länger auskosten wollen. Der Mord an Robin ist für Rodney in vielerlei Hinsicht noch erregender als seine bisherigen Taten. Das macht es für ihn umso verführerischer, zu ihrer Leiche zurückzukehren – trotz der Gefahr, gesehen zu werden.
Einerseits ist Robin jünger als seine Opfer in den letzten Jahren. Sie ist ein auffällig hübsches Mädchen, das auf ihn lieblich, unschuldig und hilflos wirkt. Umso erregender ist für ihn die Vorstellung, ihr Leben auslöschen zu können, und zwar auf die Art, die ihn ultimativ befriedigt. Es ist die absolute Macht über das »perfekte Spielzeug«. In seiner Vorstellung wird er damit zu Robins Gott, denn ihr Körper und ihr Leben gehören ab dem Moment, als sie in seinem Wagen sitzt, unwiderruflich ihm allein.
Auch die Art, wie er Robin tötet, ist eine Steigerung dessen, was er bisher getan hat. Seine Opfer zu erniedrigen, zu verängstigen, mit unglaublichen Schmerzen zu quälen und schließlich langsam zu töten, das war schon immer der Kern seiner Phantasie. Doch von Tat zu Tat hatte er mehr Erfahrungen gesammelt, was ihn besonders sexuell erregt und was er alles mit seinen Opfern tun kann, bevor und nachdem sie tot sind.
Die späteren Ermittlungen ergeben, dass es Rodney nicht nur besonders erregte, seine Opfer zu strangulieren. Er ließ sie alle zunächst immer wieder aufwachen, strangulierte sie wieder bewusstlos, ließ sie wieder aufwachen. Das alles, während er sie vergewaltigte und ihnen unglaubliche Schmerzen zufügte. Dadurch konnte er
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