Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
lieber, dass Elefanten nicht fliegen können!!
Vollkommen gelockert lehnte ich mich gegen die Reling und lauschte dem leisen Plätschern der Wellen. Sonnenstrahlen tanzten auf dem Wasser, der Wind frischte auf und spielte in meinem Haar. Sprühnebel, aufgeworfen durch die Gischt der Wellen, benetzte mein Gesicht und kleine Salzkristalle setzten sich auf der Haut fest. Ich spürte, wie meine innere Uhr ruhiger tickte und sich die Eile und Hektik verflüchtigte. Ein gutes Gefühl machte sich in mir breit. Genießerisch atmete ich tief die salzige Meeresbrise ein. Kein Stress, kein Auto - nur Pferde und Fahrräder. Ich freute mich auf das Kreischen der Möwen, das Flüstern der Wellen und das Traben der Pferde. Juist, eine kleine Welt aus Sand, Seetang, Möwengeschrei und einem endlosen, weiten Meer. Juist - Urlaub total.
Ich konnte es kaum erwarten, meine Füße auf Juister Boden zu setzen. Rufe wurden laut, Kameras gezückt. Am Horizont tauchten die ersten Häuser von Juist auf. Mir traten vor Rührung Tränen in die Augen. Endlich - ich war in meinem zweiten Zuhause angekommen.
Die Ankunft auf Juist ist ein großes Erlebnis. Bevor man auf die Insel gelangt, muss man vom Schiff aus in eine kleine Inselbahn umsteigen, deren Schienen über Holzstelzen laufen und auf dem Meeresgrund verankert sind. Mit Gebimmel geht’s dann Richtung Bahnhof. Macht man dann den ersten Schritt auf Juister Boden, werden die Ankömmlinge von braun gebrannten Touristen mit dem Schlachtruf „Oh, wie blass!“ und „Hut ab!“ begrüßt. Das ist und war immer eine Riesengaudi.
Was für eine Enttäuschung! Wo war das Inselbähnchen geblieben? Die Fähre legte direkt an der Mole an. Das Bähnchen existierte nicht mehr. Die Insulaner hatten die Fahrrinne ausgebaggert, damit die Schiffe direkt an der Mole anlegen konnten. Schade! Eine Attraktion weniger.
Ob der kleine Teich mitten auf dem Dorfplatz wohl noch vorhanden ist, auf dem alle Kinder ihre Schiffchen treiben ließen, oder der Kinderspielplatz mit seinen Rutschen und Schaukeln oder der Minigolfplatz, auf dem mein Vater mich immer gewinnen ließ? Ich bin gespannt.
Nach dem Verlassen der Fähre stand ich noch eine Weile unschlüssig auf dem Bahnhofsvorplatz herum und sah mich um. Blumen, Blumen, überall Blumen. Freundliche, lachende Menschen, lärmende Kinder, Pferdegewieher, Fahrradklingeln, alles wie immer. Im nächsten Moment brandete lauter Applaus auf. Ich drehte mich um meine eigene Achse und entdeckte, dass die Musiker des Kur-Orchesters in der Muschel Platz genommen hatten und zu einem beschwingten, heiteren Nachmittagskonzert aufspielten. Die Inselbewohner sagen nicht zu Unrecht: „Juist ist die schönste Sandbank der Welt.“ Stimmt! Ich muss ihnen Recht geben.
Zaudernd stand ich immer noch auf dem Platz und fragte mich, was ich tun sollte. „Gehe ich zu Fuß oder nehme ich eine Kutsche?“ Während die Sonne allmählich hinter den Dünen verschwand und bald wie ein großer Feuerball in die Tiefe des Meeres eintauchen würde, zog ich meine Schuhe aus und marschierte auf nackten Sohlen Richtung Deich, in der meine Pension lag. Es war eine saubere, behagliche und einladende Unterkunft. Mein Gepäck war bereits angekommen und stand mitten im Zimmer. Koffer auf, Klamotten raus. Rein in die Caprihose, Flipflops an die Füße! Meine Hosenbeine krempelte ich hoch bis über die Knie, verknotete das T-Shirt in der Taille, steckte meine Haare hinter die Ohren und marschierte los. Ich war gespannt, was sich noch alles verändert hatte.
Juist, eine Familieninsel, war mir seit Kindesbeinen an vertraut. Eine kleine Zauberinsel, die sich den Charakter eines Inselparadieses erhalten hat. Gerade mal siebzehn Kilometer lang und fünfhundert Meter breit. Als ich noch kleiner war, hatte ich hier mit meinen Eltern fast jedes Jahr den Sommerurlaub verbracht. Unzählige Muscheln, oder besonders schöne Steine, die ich gesammelt und mit nach Hause geschleppt hatte, zeugten davon. Noch heute besitze ich einen Karton mit ausgefallenen hübschen Schätzen, der wohl verwahrt ganz hinten im Kleiderschrank steht. Nur Bernstein habe ich nie gefunden, dafür musste man an die Ostsee reisen.
Die Tränen schossen mir in die Augen, als ich an die glücklichen Tage meiner Kindheit und an meine ungetrübte Jugend dachte. Ich schaute zum Himmel hoch und stöhnte: „Ach lieber Papa und liebe Mama, wärt ihr doch noch da, um mir beizustehen!“
Leider sind meine Eltern kurz hintereinander verstorben. Ich
Weitere Kostenlose Bücher