Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Einleitung
Die Lektoren des vorliegenden Buchs haben mich, vermutlich aus gutem Grund, darum gebeten, eine kurze Einleitung zu verfassen, in der ich erkläre, wie die hier versammelten Aufsätze zusammenhängen. Das ist eine interessante Frage, da die Idee, die verschiedenen Essays zu einem Band zusammenzustellen, ursprünglich gar nicht von mir stammte. Tatsächlich erschien die Aufsatzsammlung zuerst auf Griechisch unter dem Titel Κίνημα, ßία, τέχνη και επανάσταση ( »Bewegung, Gewalt, Kunst und Revolution«, Athen, Black Pepper Press, 2009). Zusammengestellt hatte die Aufsätze der Herausgeber und Übersetzer Spiros Kourouklis. Als ich im Mai 2010 während eines Griechenlandaufenthalts erstmals darauf aufmerksam wurde, empfand ich die Idee zu dieser Aufsatzsammlung spontan als sehr gelungen. Sie ergab in meinen Augen intuitiv Sinn, und dieser Meinung waren wohl auch zahlreiche Personen innerhalb der Bewegung in Griechenland selbst, wie mir bald zu verstehen gegeben wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der instabilen Situation, die auf die stürmischen Tage im Dezember 2009 folgten, wurden offenbar viele der im Buch enthaltenen Argumente von Anarchisten, Antiautoritären und Aktivisten in Griechenland aufgegriffen.
Aber was ist nun das verbindende, übergeordnete Thema der Aufsätze?
Vermutlich ist es sinnvoll, sich zunächst den Kontext vor Augen zu halten, in dem diese Essays ursprünglich entstanden sind. Sämtliche Texte wurden zwischen 2004 und 2010
verfasst, was für jemanden wie mich, der sich aktiv in sozialen Bewegungen engagiert, keine einfache Zeit war. Mit dem Aufkommen der Bewegung für globale Gerechtigkeit ( Global Justice Movement ) etwa im Zeitraum von 1998 bis 2002 hatten wir auf einmal das Gefühl, dass sich nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten vor uns auftaten. Doch infolge der Anschläge vom 11. September geriet alles aus den Fugen. Vielen kam der Enthusiasmus abhanden, der uns all die Jahre zuvor am Leben gehalten hatte. Viele waren auch einfach ausgebrannt, gaben auf, wanderten aus, zankten sich, begingen Selbstmord, fingen ein Aufbaustudium an, promovierten oder gaben sich sonstigen makabren Formen der Verzweiflung hin. Der Punkt, an dem ich persönlich kurz davor stand zu verzweifeln, war im Jahr 2004, unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen in den USA. Damals schien es, als habe die Präsidentschaft von George W. Bush, die ursprünglich auf »gestohlenen« Wahlergebnissen beruhte, ein echtes Mandat des Volkes erhalten.
Unmittelbar nach dem 11. September 2001 hatte es zunächst den Anschein, als würden wir eine Art Wiederholung des Ersten Weltkriegs erleben. Bereits der ungefähr von 1880 bis 1914 dauernde Zeitraum wies gewisse Parallelen zu dem Jahrzehnt auf, das auf den Fall der Mauer folgte: Kriege zwischen Großmächten schienen der Vergangenheit anzugehören, und die herrschenden Kräfte huldigten einem Ethos des Freihandels, der freien Märkte und der fieberhaften Anhäufung von Kapital. Zugleich erlebten global agierende antikapitalistische Bewegungen in dieser Periode einen rapiden Zulauf, flankiert von einem revolutionären Internationalismus, innerhalb dessen die anarchistische Bewegung das dynamische Zentrum der radikalen Linken zu verkörpern schien. Die Mächtigen der Welt verfielen daraufhin in Panik und reagierten,
indem sie einen Weltkrieg anzettelten, der – in seinen Folgen – nahezu ein Jahrhundert lang andauern sollte. Im Zuge dessen appellierten sie an den Nationalismus, an die nationale Sicherheit, an Rassismus und Hurrapatriotismus jeglicher Art, wodurch es ihnen gelang, die (für sie) bedrohlichen Bündnisse zu zerschlagen. Nach dem 11. September hatte es den Anschein, als wollten sie denselben Trick erneut anwenden. Die bloße Aussicht, dass in naher Zukunft eine wirkungsvolle, weltweit aktive antikapitalistische Bewegung entstehen könnte, brachte sie dazu, umgehend ihre mächtigste Waffe zu ziehen: Sie verkündeten, dass es zu einer permanenten weltweiten Kriegsmobilisierung kommen würde. Und das, obwohl der von ihnen gewählte Gegner ihnen auf lange Sicht unmöglich einen hinlänglichen Vorwand liefern könnte. Schließlich handelte es sich bei diesem um eine bunt zusammengewürfelte, schlecht organisierte Bande von Islamisten, die zudem außergewöhnliches Glück gehabt hatten. War es ihnen doch gelungen, ihren wahnwitzigen Plan in die Tat umzusetzen und einen terroristischen Anschlag zu
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