Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
»ich bitte Sie, Sie können in dieser Stunde nicht scherzen – wie soll ich das verstehen?«
»Es ist die Wahrheit.«
Es war mit einem Ausdruck gesprochen, daß ein Zweifel nicht möglich war.
Isma schwieg. Sie lehnte sich zurück und strich das lichtbraune Haar aus der schmalen Stirn. Dann faltete sie ihre Hände und sah ihn bittend an.
»Hören Sie, Isma, geliebte Freundin«, sprach Ell langsam, »hören Sie, was noch niemand weiß, noch niemand wissen durfte, und was ihnen manches erklären wird, das Ihnen an mir rätselhaft war. Es ist eine lange Geschichte.«
Er verfiel in Schweigen.
»Erzählen Sie«, bat sie innig. »Sie bleiben über Abend – ich kann heute nicht allein sein, und andere mag ich heute nicht sehen – ich muß alles wissen.«
Ell erzählte. Er sprach vom Mars, von seinen Bewohnern, von ihrer Kultur, ihrer Güte, ihrer Macht. Er erklärte, wie sie zur Erde zu gelangen hofften, um die Menschheit ihrer Kultur, der Numenheit, entgegenzuführen, wie er sein Leben lang auf die Nachricht gehofft habe, daß der Pol im Besitz der Martier sei, wie er hauptsächlich darum die Polarforschung und Ausrüstung der Expedition betrieben habe. Und nun habe er keinen Zweifel mehr.
Isma hatte ihm schweigend zugehört. Ihre Fassungskraft schien zu Ende.
Als er schwieg, sagte sie:
»Sie erzählen ein Märchen, ein schönes Märchen. Ich würde das alles für ein Märchen halten, wäre nicht die Depesche, und wären Sie nicht mein lieber, treuer Freund. So muß ich Ihnen glauben, obwohl ich nicht begreife, woher Sie das alles wissen und warum Sie niemals davon gesprochen haben. Wenn Sie es wußten, was am Pol zu erwarten war, so mußten Sie doch meinen Mann darauf vorbereiten.«
Ell lächelte jetzt. »Das hab ich auch«, sagte er, »soweit ich durfte. Ich wußte ja nicht, ob meine Vermutung eintreffen würde, also durfte ich auch nicht davon sprechen. Denn eben haben Sie selbst gesagt, daß Sie mir ohne die Depesche nicht geglaubt hätten. Man hätte mir nicht geglaubt, man hätte mich für einen Narren gehalten, und ich hätte meine ganze Tätigkeit diskreditiert. Aber ich habe für alle Fälle gesorgt. Erinnern Sie sich der drei Flaschen Champagner, die Sie durch Saltner in den Korb schmuggeln ließen? Sie gingen durch meine Hände. Unter denselben befindet sich ein von mir entworfener Sprachführer – deutsch und martisch –, der beim Zusammentreffen mit den Marsbewohnern am Pol, auf das ich hoffte, gefunden werden mußte.«
Isma reichte ihm lächelnd die Hand und sagte kopfschüttelnd: »Und nun sagen Sie mir das eine und Hauptsächlichste. Woher konnten Sie alles das wissen – wenn es wirklich wahr ist?«
»Sie sollen auch dies wissen. Mein Vater war ein Nume . Er war kein Engländer, wie es hieß, kein auf der Erde Geborener. Ich stamme väterlicherseits von den Bewohnern des Mars.«
Isma sah ihn sprachlos an. Sie konnte nicht zweifeln. Das Fremdartige seines Wesens, selbst seiner Erscheinung, das sie anfänglich abgestoßen, später so viel stärker gefesselt hatte, als sie sich selbst gestehen mochte – alles wurde ihr auf einmal erklärlich.
Das Mädchen erschien an der Tür.
»Kommen Sie«, sagte sie. »Wir wollen uns wenigstens zu Tisch setzen, es ist Zeit. Ich muß aber noch mehr hören, viel mehr.«
»Wie oft haben wir Sie geneckt«, sagte Isma bei Tisch, »wenn Sie hier bei uns saßen und von den Marsbewohnern phantasierten. Es ist mir nie der Gedanke gekommen, daß Sie Ihre Erzählungen ernst meinen könnten.«
»Ich habe mich auch gehütet, es so erscheinen zu lassen. Dann säße ich wohl im Irrenhaus. Und doch ist es so. Ich werde Ihnen die Aufzeichnungen meines Vaters zeigen, wenn Sie wieder einmal auf meinen Berg steigen. Und das meiste weiß ich aus seinem eigenen Mund. Sie sehen mich ungläubig an?«
»Seien Sie nicht böse – ich glaube Ihnen, aber es will mir noch nicht in den Kopf, das Unerhörteste, was je geschehen ist – und mir, mir soll es begegnen –«
»Zwischen uns soll sich nichts ändern, Isma! Aber ich hoffe, Ihnen jetzt erst ganz zeigen zu können, wie lieb ich Sie habe. Meine Pläne sind groß.«
»Lassen Sie mich nur erst das Vergangene verstehen. Ihr Vater –«
»Mein Vater hieß All. Er war Kapitän des Raumschiffes ›Ba‹, das heißt ›Erde‹, mit dem er bereits mehrere Fahrten nach dem Nordpol wie nach dem Südpol der Erde gemacht hatte, als er infolge eines Unglücksfalls mit sechs Gefährten auf dem Südpol zurückgelassen wurde. Als das
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