Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
Stunde zu Hause sein.
Isma saß stumm an Ells Seite. Sie sah, daß seine Gedanken nicht mit ihr beschäftigt waren. Sie wollte ihn jetzt nicht fragen, was er zu tun gedenke. So tauschten sie nur flüchtige Worte, bis der Wagen vor Ills Haus hielt.
32. Kapitel – Ideale
L a ließ ihre Hände von der Schreibmaschine herabgleiten und lachte herzlich, indem sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte.
»Nein«, sagte sie, »das ist ja nicht zu glauben! Das ist wirklich zu komisch. Diese Bate! Ich glaube, da muß selbst Schti lachen.«
Ein allerliebstes, schneeweißes Flügelpferdchen, nicht größer wie ein kleines Kätzchen, flatterte von dem Büchergestell, wo es gesessen, auf die Lehne von Las Armstuhl und blickte sie mit seinen klugen Augen ernsthaft an. Das Tierchen sah wirklich aus wie ein Miniatur-Pegasus, nur hatte es statt der Hufe zierliche Zehen, mit denen es sich anklammern konnte. Zoologisch betrachtet gehörte es zu den Insekten und war eine Art Heuschrecke, die aber auf dem Mars warmes Blut besaßen und die höchstentwickelte Gruppe der Insekten darstellten. Der Kopf war der eines Pferdes mit fast menschenähnlichem Ausdruck, die Flügel saßen an den Schultern und glichen denen einer Libelle.
»Schti muß lachen!« sagte La.
Das Tierchen stieß einen Laut aus wie eines helles Lachen. »Ko Bate, Ko Bate«, sprach es dann deutlich.
La streichelte ihm das weiche Fellchen, und es rieb sein Köpfchen an ihrer Hand.
»Schti muß studieren!« Das gut abgerichtete Tierchen flog auf das Bücherbrett und setzte sich gravitätisch hin.
La fuhr in ihrer Schreibarbeit fort. Auf dem Gestell über der Schreibmaschine stand eines der deutschen Bücher, die Ell mitgebracht hatte. Es war ein kurzgefaßter Grundriß der ›Weltgeschichte‹, das heißt des wenigen, was man über die Geschichte der abendländischen Menschheit wußte. La übersetzte das Buch in Ills Auftrag ins Martische. Während sie ihre Augen langsam über den Text gleiten ließ, lagen ihre Hände auf der Klaviatur und ihre Finger schrieben ganz mechanisch in martischen Zeichen den Sinn der gelesenen Sätze nieder. Die Arbeit nahm ihre Aufmerksamkeit nicht mehr in Anspruch, als der Strickstrumpf die einer älteren Kränzchendame, und hinderte sie nicht, sich lebhaft mit Ell zu unterhalten, der zum Besuch gekommen war.
»Es ist eigentlich mehr traurig als komisch«, sagte Ell. »Denn die Sache geht nicht immer bloß mit dem Knallen ab. Oft genug kommen schwere Verwundungen und Todesfälle vor, und das Leben eines Mannes, der verpflichtet wäre, der Menschheit und den Seinigen sich zu erhalten, ist einem sinnlosen Vorurteil hingeopfert.«
»Das ist abscheulich. Aber ich denke, Vernunft und Gesetz verbieten den Zweikampf. Wie ist er denn noch möglich?«
»Durch Unvernunft. Es gibt nämlich Menschen, die sich einbilden Vernunft und Gesetz seien zwar ganz gut für das Volk, aber dieses würde den Respekt vor Vernunft und Gesetz verlieren, wenn es nicht durch eine auserwählte Gruppe von Menschen in Schranken gehalten würde. Diese Auserwählten könnten sich jedoch nur dadurch als solche erweisen, daß sie sich einen gewissen Zwang, eine Pönitenz auferlegten, indem sie selbst zum Teil auf das höchste Gut der Menschheit, Vernunft und Freiheit, verzichten und sich zum Sklaven überlebter Formen machen. Sie meinen wohl, durch den Widerspruch, den ihre Sitten erwecken, in der Allgemeinheit die Herrschaft der Vernunft um so mehr zu stärken.«
»Welch edle Seelen, so zum Besten der Kultur sich selbst zu opfern! Ein wahrhaft menschlicher Gedanke, die Kultur durch Unkultur des eigenen Lebens zu fördern! Es wäre ein bloßer Irrtum, wenn er nicht leider dadurch unmoralisch würde, daß der egoistische Zweck unverkennbar ist.«
»Gewiß, sich selbst als Kaste zu unterscheiden. Es will jeder etwas Besonderes sein.«
»Das soll er ja auch«, sagte La, »etwas Besonderes aber nur durch seine Freiheit, durch die innere Freiheit, mit der wir die Mittel bestimmen, in unserm Leben das Vernunftgesetz zu verwirklichen. Aber diese Leute lassen, nach Ihrer Schilderung, die innere Freiheit gar nicht gelten, weil sie sie nicht kennen. Sie setzen ihre Ehre in Äußerlichkeiten. Ich kann mir denken, wie schwer es ihnen sein mußte, in dieser Gesellschaft zu leben.«
»Ich kann auch nicht in ihr leben«, erwiderte Ell. »Für sie besteht die Ehre eines Menschen in dem, was andere von ihm halten und sagen; deswegen glauben sie auch, sie könnte durch Beleidigungen
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