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Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Titel: Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Tag ist? Der neunzehnte August. Heute vor zwei Jahren kamen wir am Nordpol an. Wie schade, daß Saltner nicht hier ist, er könnte wieder ein Hoch ausbringen –«
    Torm fuhr aus seinem Nachsinnen empor.
    »Erinnern Sie mich nicht daran«, sagte er finster. »Mit jener Stunde begann mein Unglück. Wie kam denn jener Flaschenkorb –« Er schlug mit der Hand auf den Tisch und sprang auf. Er unterbrach sich und murmelte nur noch für sich: »Ich stoße nicht mehr an.«
    »Geben Sie nur die Gläser her«, sagte er darauf ruhiger. »Ja, wir wollen uns setzen. Und nun sind Sie daran zu berichten.«
    Grunthe blickte starr vor sich hin.
    »Wir sind in der Gewalt der Nume«, begann er nach einer Pause. »Ganz Europa, außer Rußland. Wir beugen uns vor unserm Herrn. Wir sind Kinder geworden, die in die Schule geschickt werden. Man hat sogenannte Kultoren eingesetzt über die verschiedenen Sprachgebiete. Der größte Teil des Deutschen Reichs, die deutschen Teile von Österreich und der Schweiz stehen unter Ell. Man will uns erziehen, intellektuell und ethisch. Die Absicht ist gut, aber undurchführbar. Das Ende wird entsetzlich sein – wenn es nicht gelingt –, doch davon später.«
    Grunthe schwieg.
    »Ich begreife noch nicht«, sagte Torm, »wie war es möglich, daß wir in diese Abhängigkeit gerieten? Warum unterwarfen wir uns?«
    »Entschuldigen Sie mich«, antwortete Grunthe. »Ich bin nicht imstande, von diesen schmerzlichen Ereignissen zu sprechen. Ich bringe es nicht über die Lippen. Lassen wir es lieber. Ich werde Ihnen eine Zusammenstellung der Ereignisse in einer Broschüre geben – hier sind mehrere. Lesen Sie selbst, für sich allein. Sie werden auch müde sein. Lesen Sie morgen früh. Reden wir von etwas anderm.«
    Aber sie redeten nicht. Der Wein blieb unberührt. Das Herz war beiden zu schwer. Einmal sagte Grunthe vor sich hin: »Es ist nicht der Verlust der politischen Macht für unser Vaterland, der mich am meisten schmerzt, so weh er mir tut. Schließlich müßte es zurückstehen, wenn es bessere Mittel gäbe, die Würde der Menschheit zu verwirklichen. Was mir unmöglich macht, ohne die tiefste Erregung von diesen Dingen zu reden, ist die demütigende Überzeugung, daß wir es eigentlich nicht besser verdienen. Haben wir es verstanden, die Würde des Menschen zu wahren? Haben nicht seit mehr als einem Menschenalter alle Berufsklassen ihre politische Macht nur gebraucht, um sich wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der andern zu verschaffen? Haben wir gelernt, auf den eigenen Vorteil zu verzichten, wenn es die Gerechtigkeit verlangte? Haben die führenden Kreise sittlichen Ernst gezeigt, wenn es galt, das Gesetz auch ihrer Tradition entgegen durchzuführen? Haben sie ihre Ehre gesucht in der absoluten Achtung des Gesetzes, statt in äußerlichen Formen? Haben wir unsern Gott im Herzen verehrt, statt in Dogmen und konventionellen Kulten? Haben wir das Grundgesetz aller Sittlichkeit gewahrt, daß der Mensch Selbstzweck ist und nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf? Oh, das ist es ja eben, daß die Nume in allem vollständig recht haben, was sie lehren und an uns verachten, und daß wir doch als Menschen es nicht von ihnen annehmen dürfen, weil wir nur frei werden können aus eigener Arbeit. Und so ist es unser tragisches Schicksal, daß wir uns auflehnen müssen gegen das Gute! Und es ist das tragische Geschick der Nume, daß sie um des Guten willen schlecht werden müssen!«
    Er stand auf und trat an das Fenster.
    »Es scheint sich aufzuklären. Vielleicht kann ich noch eine Beobachtung machen. Wollen Sie mitkommen? Ich zeige Ihnen dabei Ihr Zimmer.«
    Torm ergriff die Broschüren und folgte ihm.

45. Kapitel – Des Unglück des Vaterlands
    T orm ging unruhig in seinem Zimmer auf und ab.
    Seine Liebe zu Isma, das alte, feste Vertrauen, das sich wieder hervordrängte, die Mitteilungen Grunthes über Ells freundschaftliches Verhalten, das alles kämpfte in seinem Innern mit dem feindlichen Argwohn, in den er sich in der Einsamkeit seiner Verbannung immer fester hineingelebt hatte. Die stets erneute Verzögerung der Heimkehr Ismas und das gleichzeitige Zurückbleiben Ells, wofür er keinen Grund einzusehen vermochte, hatten allmählich in ihm den Verdacht erweckt, daß es Ell doch nicht ehrlich mit ihm meine. Von nun ab glaubte er überall die Hand Ells im Spiele zu sehen. Die Verhinderung seiner Heimreise vom Pol schob er ebenfalls auf einen Einfluß Ells. Wer konnte wissen, welche Lichtdepeschen

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