Auf zwei Planeten
Selbsterhaltung; die Menschen machen daraus einen vernichtenden Egoismus, der zum Kampf der Gesellschaftsklassen führt. Und so mit allem. Hier kann Aufklärung helfen. Natürlich nicht, um Vollendung zu schaffen, die es überhaupt nicht gibt, aber eine höhere Stufe der Kultur. Es wäre nicht das erste Mal, daß Aufklärung die Menschen befreit hat, aber da mußte sie sich blutig durchkämpfen. Diesmal soll eine überlegene Macht den Sieg von vornherein gewähren.«
»Aber wie denken Sie sich diese Einwirkung? Ehe Anschauungen und Gewohnheiten sich ändern, müssen Generationen vergehen – die Menschheit selbst muß sich ändern –«
»Die Planeten haben Zeit. Aber die Hauptsache wird schnell geschehen. Die Menschen brauchten Jahrtausende, um den gegenwärtigen Stand ihres Wissens zu gewinnen; unter der Leitung geschickter Lehrer eignet sich heute der einzelne dieses Wissen in wenigen Jahren an. Wir werden die heutigen Menschen nicht zu Numen machen, aber wir werden sie in diesem Sinn führen. Nur muß unsre Bevormundung ihre Freiheit nicht beschränken, sondern allein den richtigen Gebrauch derselben erzielen. Das Niveau der Gesamtbildung läßt sich binnen kurzem so heben, daß sie eine klare Einsicht in das gewinnen, was im Leben möglich und erstrebbar ist. Sie werden erkennen, daß es eine Utopie ist, die Gleichheit der Lebensbedingungen anzustreben, daß die Gleichheit nur besteht in der Freiheit der Persönlichkeit, mit der ein jeder sich selbst bestimmt, und daß diese Freiheit gerade die Ungleichheit der Individuen in der sozialen Gemeinschaft voraussetzt. Wir haben ja doch viele Jahrtausende hindurch die sozialen Kämpfe durchgemacht, bis wir erkannt haben, daß der Kampf selbst unvermeidbar, die Gehässigkeit aber auszuschließen ist, daß in einem edlen Wettstreit alle Stufen der Lebensführung nebeneinander bestehen können. Nur eines ist dazu notwendig: dem einzelnen die Zeit zu geben, sich selbst zu bilden, zu kultivieren. Die Menschen können sich darum nicht selbst helfen, wenigstens nicht helfen, ohne den furchtbaren Kampf von Jahrtausenden, weil sie die Mittel nicht haben, den Massen die Sicherheit der notwendigsten Lebenshaltung zu geben. Diese Not der Massen können wir abstellen, ohne jene Utopie der Nivellierung des Vermögens. Wir können ihnen zeigen, daß das Hin- und Herschwanken des individuellen Besitzes sich nicht ändern läßt und auch nicht geändert zu werden braucht, daß aber jedem, der arbeitet, ein befriedigendes, seinen Fähigkeiten angemessenes Auskommen gewährleistet werden kann und daß niemand Not zu leiden braucht. Denn wir können den Menschen die Quelle des Reichtums erschließen durch unsre Technik, und wir können erzwingen, daß die damit verbundenen Besitzänderungen sich in Ruhe vollziehen. Den kleinlichen Eigennutz, den Krämersinn, die Unduldsamkeit, die Klassenherrschaft bringen wir zum Verschwinden, sobald ein jeder klar zu durchschauen vermag, welche Stelle im großen Zusammenwirken der einzelnen er ausfüllt. Der tückische, nagende Neid entflieht aus der Welt, und Menschenliebe hält den siegreichen Einzug.«
Ell war aufgestanden, seine Augen leuchteten, begeistert sah er in die Zukunft, die ihm nahe herangekommen schien. La hatte die Hände von der Schreibmaschine herabsinken lassen. Sie blickte ihn an.
»Halten Sie mich nicht für einen Schwärmer«, fuhr er fort. »Nicht daß ich meinte, Leid und Schmerz aus der Menschheit verbannen zu können. Ohne sie stände das Weltgetriebe still. Aber reinigen können wir dieses Leid, veredeln zu dem heiligen Schmerz, der untrennbar ist von der Liebe und dem Einblick in uns selbst. Die fremden Schlacken können wir ausstoßen, die aus der Not, der Roheit und der Dummheit stammen.«
»Sie glauben an die Menschheit«, sagte La. Auch sie erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich begann an ihr zu zweifeln, ich will es Ihnen gestehen. Ob sich Ihr Traum erfüllen läßt, ich weiß es nicht, aber ich danke Ihnen, daß Sie ihn träumen, daß Sie ihn mir erzählten. Sie haben mir neuen Mut gemacht, denn ich fürchtete manchmal, daß das Zusammentreffen mit den Menschen beiden Teilen verderblich werden könnte.«
»Fürchten Sie das nicht, La. Die Erde ist reich, viel reicher als der Mars. Sie empfängt von der Sonne fast das Zehnfache der Energie wie wir. So lange die alte Sonne strahlt, ist das Leben gesichert. Was läßt sich unter unseren Händen aus dieser Riesenkraft schaffen! In einem Jahr wird die
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