Auferstehung 2. Band (German Edition)
niemand!«
Das Weib mit den Kindern hatte sich der Maslow gegenüber auf ihr Bett gesetzt; sie hatte ihren kleinen Jungen auf den Schoß genommen und sagte, während sie ihm die Läuse ablas:
»So geht es immer bei diesen verdammten Richtern. Warum hast du Schnaps verkauft? haben sie mich gefragt. Womit hätte ich mein Kind sonst ernähren sollen?«
Diese Worte erinnerten die Maslow wieder an die Wirklichkeit, und sie sagte, während sie ihre Thränen mit ihrem Hemdärmel trocknete:
»Ich möchte gern ein Glas trinken!«
Ihre große Aufregung hatte sich beruhigt, und man hörte sie nur noch von Zeit zu Zeit schluchzen.
»Du willst Schnaps?« versetzte die Korablewa. »Na, gieb Geld, dann kannst du dich stärken!«
Die Maslow holte aus ihrer Kitteltasche den Schein heraus, den ihr Frau Kitajeff hatte zustecken lassen, und reichte ihn der Korablewa. Diese erkannte, obwohl sie nicht lesen konnte, doch an dem Bilde, daß es ein zwei und ein halber Rubelschein war; doch zur größeren Sicherheit zeigte sie ihn der »Schönheit«, die im Rufe stand, sie wisse alles; dann schleppte sie sich zum Ofen, öffnete die Wärmröhre und holte eine darin versteckte Flasche hervor. Die Maslow erhob sich, klopfte den Staub von ihrem Kittel und ihrem Tuch und fing an, ihr Brot zu verspeisen.
»Ich hatte dir Thee bereitet, doch jetzt ist er kalt,« sagte die Fenitschka und holte von einem über ihrem Bett genagelten Brett eine Theekanne und ein Töpfchen aus Weißblech, die sie in ein Paar Strümpfe gewickelt hatte.
Der Thee war vollständig kalt und schmeckte mehr nach Weißblech, als nach Thee, doch die Maslow trank ihn trotzdem aus und tunkte ihr Brot hinein.
»Da, Fedja, das ist für dich!« rief sie dem kleinen Jungen zu, brach ihr Brot entzwei und gab ihm die Hälfte.
Währenddessen hatten sich die Weiber, deren Betten auf der andern Seite des Saales standen, entfernt. Die Maslow goß sich, sobald sie die Flasche in Händen hatte, einen tüchtigen Schluck ein, trank ihn und bot dann der Korablewa und der »Schönheit« zu trinken an, die mit ihr die Aristokratie des Ortes bildeten, denn sie waren die einzigen, die manchmal Geld hatten.
Einige Minuten später war die Maslow schon wieder ganz lustig und erzählte ihren beiden Gefährtinnen mit großem Schneid, was ihr seit dem Morgen alles passiert war; dabei kopierte sie abwechselnd die Stimme und Gesten des Präsidenten, des Staatsanwaltes und der Verteidiger. Sie sagte, wie sehr es ihr aufgefallen war, daß die Männer ihr den ganzen Tag über nachgelaufen wären. Im Gerichtssaal hatten sie alle lorgnettiert, und nach der Urteilsfällung hätte man sie in der Zelle, in der sie eingesperrt gewesen, angestarrt.
Sie erzählte das lächelnd, mit einem Gemisch von Verwunderung und Eitelkeit.
»Ja, das ist mal so!« erklärte die Eisenbahnwärterin mit ihrer singenden Stimme. Die Männer drängten sich ihrer Meinung nach um die Weiber wie die Fliegen um den Zucker.
»Selbst hier noch,« unterbrach die Maslow lächelnd, »selbst hier ist mir dasselbe passiert. Als ich ins Gefängnis kam, versperrte mir ein Trupp Gefangener, der vom Bahnhof kam, den Weg. Sie verfolgten mich mit solcher Heftigkeit, daß ich nicht weiß, was ich anfangen soll. Zum Glück hat mich ein Aufseher befreit. Namentlich einer war wie toll; ich habe ihn schlagen müssen, um mich von ihm zu befreien!«
»Wie sah er denn aus?« fragte die Schönheit.
»Ganz schwarz, mit rasiertem Kopf und langem Schnurrbart!«
»Das war er sicher!«
»Wer denn?«
»Na, Tschegloff! Er ist eben in den Hof getreten.«
»Was denn für'n Tschegloff?«
»Was? Du kennst Tschegloff nicht? Er ist schon zweimal von der Zwangsarbeit entflohen. Man hat ihn wieder gefaßt, aber er wird doch wieder ausrücken. Selbst die Aufseher haben vor ihm Angst,« fügte die Schönheit hinzu, die oft Schreibereien für das Bureau anzufertigen hatte und mit den geringsten Ereignissen des Gefängnisses Bescheid wußte. »Sicherlich wird der wieder ausrücken!«
»Er wird vielleicht ausrücken, uns wird er aber gewiß nicht mitnehmen,« sagte die Korablewa. »Höre,« fuhr sie dann, sich zu der Maslow wendend, fort, »erzähle uns lieber, was dein Verteidiger dir wegen deiner Berufung gesagt hat. Die mußt du jetzt unterzeichnen.«
Die Maslow erwiderte, davon habe sie im Gerichtsgebäude nichts gehört. In diesem Augenblick näherte sich die Rothaarige, indem sie mit ihren, ganz mit Sommersprossen bedeckten Armen durch ihr dichtes Haar
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