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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Praktisch aufgerieben. Weil er hat mit seinem Stock die Taube eingeklemmt, also, so heißt das Ziel beim Eisschießen, Taube, das ist einfach so ein Holzwürfel. Und den hat er mit seinem Stock so gemein mitgenommen, daß er genau zwischen seinem Stock und der Bande eingeklemmt liegenbleibt.
    Jetzt ist die andere Mannschaft am Zug, einer nach dem anderen probiert es, aber verhext. Die Stöcke gehen ins Leere, sind zu laut und pfeifen vorbei, oder sie sind zu leise und verstellen noch dazu den Weg, Hindernisse. Daß es unmöglich wird, daß einer den Stock vom Vergolder wegschießt.
    Was soll ich sagen, alle acht haben schon geschossen, und der Stock vom Vergolder klebt immer noch auf der Taube, daß du glaubst, angefroren. Jetzt ist der Haggl dran, der muß es jetzt ein zweites Mal probieren. Der Fux Andi packt also seinen Stock und geht wieder hinauf und stellt sich für einen zweiten Schuß auf. Aber in dem Moment, wie er schon die längste Zeit Maß nimmt, schon die längste Zeit seinen Holzstock vor und zurück pendeln läßt, ruft der Vergolder hinauf:
    «Schieß voll super!»
    Jetzt kannst du dir vorstellen, was für ein Gelächter. Weil der Andi, der ist ja Tankwart, und da stört ihn der Vergolder mitten in der Konzentration und schreit hinauf:
    «Schieß voll super, Andi!»
    Der Brenner hat zuerst gar nicht verstanden, wieso alle so lachen, weil er nicht wissen hat können, daß der Andi Tankwart ist. Weil der Brenner hat ja kein Auto in Zell gehabt, der ist mehr so ein Spaziergänger gewesen.
    Aber der andere Zuschauer, der zuerst ganz oben am entgegengesetzten Ende der Asphalteisbahn gestanden ist, ist jetzt heruntergekommen. Das ist aber kein Zuschauer gewesen, sondern eine Zuschauerin. Eine alte Frau mit dicken Bifokalgläsern. Aber an der ist etwas anderes noch viel auffälliger gewesen. Weil die hat keine Hände gehabt.
    Sie ist neben dem Brenner stehengeblieben, und der hat sie gefragt, ob sie das versteht, wieso die Leute so lachen.
    «Der Junge ist Tankwart», hat die Frau auf hochdeutsch gesagt.
    Zuerst hat sich der Brenner noch gewundert, daß eine Deutsche da heraußen beim Eisschießen zuschaut. Weil das ist mehr so eine einheimische Angelegenheit gewesen. Aber er ist gleich wieder abgelenkt worden, weil auf der Asphalteisbahn ist es jetzt richtig losgegangen.
    Der Tankwart hat nämlich inzwischen geschossen gehabt, aber weit daneben. Und jetzt ist er heruntergekommen, ganz einen roten Kopf, und hat dem Vergolder eine Ohrfeige angedroht. Und das mußt du dir einmal vorstellen, der Vergolder, ein schlohweißer siebzigjähriger Millionär, und der Andi, der hat mehr so gewirkt, also nicht besonders intelligent, seine schmutzige Tankwarthose hat er angehabt, eine Glatze hat er gehabt, und er rennt jetzt auf den Vergolder zu und fragt ihn, ob er vielleicht eine Ohrfeige von ihm möchte.
    Bei der nächsten Partie neue Mannschaften, und da haben sie keinen Haggl mehr gebraucht. Jetzt sind sie eine gerade Zahl gewesen, weil der Andi hat nicht mehr mitgetan. Der ist trotzig zum Kiosk hinübermarschiert:
    «Ein Bier», sagt er zum Gruntner Schorsch, der ist früher bei der Bahn gewesen, und jetzt in Pension führt er noch den Kiosk. Aber es ist heute nicht dem Andi sein Tag gewesen, weil der Gruntner sagt nur:
    «Laß dir Zeit.»
    Das war deshalb, weil der hat noch zwei andere Kunden zu bedienen gehabt. Der Brenner und die handlose alte Frau haben sich noch vor dem Fux Andi zur Würstlbude gestellt. Und der Brenner ist jetzt erschrocken, weil aus der Ferne hat er den Andi auf 40, wenn nicht 50 Jahre geschätzt, und jetzt hat er erst gesehen, daß der höchstens siebzehn, achtzehn. Jahre alt ist.
    Der Fux Andi hat wie immer seine rote Latzhose von der Tankstelle angehabt. Auf seiner Brust hat der Brenner noch die Umrisse einer Shell-Muschel erkannt, die muß dort einmal aufgenäht gewesen sein, aber jetzt ist nur mehr der Stoff an der Stelle etwas dunkler gewesen, nicht so ausgewaschen wie rundherum. Wie ein alter Mann steht der da, hat sich der Brenner gedacht, aber dann ist es wieder genau umgekehrt gewesen, wie der Andi geredet hat.
    «Laß dir Zeit, laß dir Zeit, laß ich mir eh, Zeit laß ich mir eh, oder?» hat der Haggl den Kioskwirt schwindlig geredet mit seiner hohen, quäkenden Stimme, daß du geglaubt hast, der hat den Stimmbruch noch gar nicht gehabt, praktisch: Eunuch. Und gleichzeitig hat er den Brenner ängstlich angeschaut, also: Steht der vielleicht auf meiner Seite, lacht der über

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