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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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das erste Mal seit Monaten gewesen, daß es den Brenner auch wieder gereizt hätte, eine zu rauchen.
    Jetzt hat der Brenner bemerkt, daß die Frau nicht zum erstenmal dasein kann. Der Gruntner Schorsch hat ihr jedenfalls, ohne lange zu fragen, ein zweites, leeres Bierglas hingestellt auf diese Holzrampe, die da rund um den Kiosk geht. Und auf das leere Bierglas hat er einen Aschenbecher gestellt, und da hat die Handlose problemlos ihre Zigarette direkt aus dem Mund ablegen können. So ist es natürlich noch einfacher gewesen.
    Das ist dem Brenner jetzt schon irgendwie komisch vorgekommen, der eine hat nur ein Bein, die andere keine Hände, aber so was gibt es.
    «Ich weiß, daß nur zwei Menschen in ganz Zell für so ein Verbrechen in Frage kommen», läßt der Andi nicht locker und fuchtelt oberlehrerhaft mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht von Brenner.
    «Der Vergolder und der Gschwentner», antwortet der Brenner.
    «Ganz richtig», lobt der Fux Andi, «aber wieso?»
    «Ja, genau. Wieso eigentlich?»
    «Weil von allen Zellern nur diese zwei Menschen noch nie einen Schilling Trinkgeld gegeben haben!»
    Aber in dem Moment hat sich die Handlose an den Andi gewandt. Und das hat jetzt den Brenner wirklich überrascht. Daß die beiden sich kennen.
    «Der Lorenz kommt heute heraus», sagt sie.
    «Heute raus, morgen rein», sagt der Andi.
    «Ich hole ihn ab», sagt die Handlose.
    «Die Rettung holt ihn ab. Dann holen wir ihn ab. Dann holt ihn wieder die Rettung ab. Dann holen wieder wir ihn ab, dann –»
    «Kommst du mit?» sagt die Handlose, weil die ist überhaupt nicht auf das Geplapper vom Andi eingegangen.
    «Meinen Sie, ob ich verstehe, was Sie sagen, oder ob ich dorthin mitkomme, – wo Sie hinfahren: Irrenhaus!»
    Die Handlose hat so eine große Brille gehabt, wie es in den siebziger Jahren modern gewesen ist. Und so dicke Gläser, also, von der ihrem Gesicht hast du nicht viel gesehen. Nur ihre Augen sind doppelt so groß gewesen wie normal, weil die muß wahnsinnig weitsichtig gewesen sein.
    Mit diesen Riesenaugen hat sie jetzt den Brenner angeschaut und ihn gefragt, ob vielleicht er mitkommen möchte. Sie sagt:
    «Ich muß meinen Freund Lorenz Antretter aus dem Krankenhaus abholen. Er wird heute entlassen.»
    Jetzt – der Lorenz, das ist der Neffe vom Vergolder gewesen. Und der Lorenz war es auch, der dem Vergolder sein Alibi für die Mordnacht gegeben hat. Der Brenner hat aber versucht, seine Überraschung zu verbergen.
    «Sie sind ohnehin zu Fuß hier», sagt die Handlose.
    Jetzt natürlich hat man dem Brenner die Verwunderung doch noch angehört, wie er sagt:
    «Aber können Sie denn Auto fahren ?»

     

5
    Jetzt, den Lorenz Antretter abholen. Das hat den Brenner natürlich interessiert. Mit dem Lorenz ist der Vergolder am 21. Dezember den ganzen Abend zusammengewesen. Da kriegt der Lorenz jedes Jahr sein Weihnachtsgeschenk, immer am 21., weil natürlich am 24. Dezember: nur Familie.
    Am 22. Firmenweihnachten mit der Schischule, am 23. mit dem Liftpersonal. Am 24. immer nur engste Familie, dem Vergolder seine Frau, wie sie noch gelebt hat, und ihre Eltern, die sind jedes Jahr zu Weihnachten aus Amerika gekommen. Kinder ja keine, und seit die Frau gestorben ist, nur noch die Schwiegereltern. Und letzte Weihnachten natürlich Schwiegereltern auch nicht mehr.
    Aber das hat den Brenner jetzt interessiert, wieso der Lorenz ausgerechnet vom Fux Andi abgeholt wird. Und ehrlich gesagt, noch mehr hat es ihn interessiert, wie das gehen soll, daß die Frau ohne Hände mit dem Auto fährt.
    Aber es ist dann gewesen wie mit dem Biertrinken. Also, wie er es gesehen hat, da ist es ihm mehr oder weniger ganz normal vorgekommen. Da sind so Zapfen montiert gewesen am Lenkrad, das hat fast ausgesehen wie das Steuerrad von einem Schiff, von einem Ozeandampfer. Wie im Fernsehen, wo der Steuermann steht und dreht, so hat das ausgesehen, und zwischen diese Zapfen hat die Deutsche ihre Armstümpfe geklemmt, und so hat sie gelenkt.
    Der Brenner hat natürlich geglaubt, daß die ein Automatikgetriebe hat, aber nicht, daß du glaubst, daß die ein Automatikgetriebe gehabt hat. Die hat geschaltet, daß es eine Freude war, weil auf den Ganghebel war so eine Art Tasse hinaufgeschraubt, und da hat sie den Armstumpf hineingesteckt, und so hat sie geschaltet.
    Und der Brenner hat gestaunt, wie sicher sie gefahren ist. Aber er hat dann nicht mehr viel Zeit gehabt, daß er sich mit der Handlosen beschäftigt. Weil der Andi, der ist hinten

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