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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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keinen Sinn hat. Weil wenn in der Früh einer am Lift sitzt, ist er die ganze Nacht gesessen. Weil zwischendurch fahren wir nicht», sagt der Lift Lois.
    «Ich habe natürlich einen Schreck gekriegt und so schnell wie möglich den Lift zum Stehen gebracht. Erste Hilfe haben wir ja. Mund zu Mund. Aber was willst du da noch lange Mund zu Mund, wenn 15 Zentimeter Schnee auf der Leiche liegen. Obwohl es erst am Morgen zu schneien angefangen hat. In der Nacht ist sternenklarer Himmel gewesen. Ich bin noch mit dem Hund hinausgegangen nach dem Acht-Uhr-Film, und ist sternenklar gewesen. Und wenn es bei uns sternenklar ist, Ende Dezember, hat es sieben Grad mindestens in der Nacht», sagt der Lift Lois.
    «Minus», sagt der Lift Lois und schaut seine Zuhörer so lange an, bis sie ein bißchen nervös werden. Aber kein Grund, daß du nervös wirst. Es ist nur eine von den Pausen, die sie beim Heimattheater immer einüben. Und bevor ihm jemand wie ein schlechter Souffleur in die Rede fährt, sagt der Lift Lois:
    «Ich renne vor Schreck so zum Not-Off, daß es mich fast hinhaut. Obwohl es eh egal war, habe ich gleich gesehen. Aber ich renne hinüber und rutsche auf dem frischgefallenen Schnee aus. Über der Eisplatte, die dort den ganzen Winter nicht weggeht. Da muß die Schlange um die Kurve beim Anstellen, und es geht leicht bergauf, da polieren sie es immer mit ihren scharfen Kanten her, daß das ganze Jahr eine Eisplatte ist. Normal weiß ich es ja, weiß ich eine jede Eisplatte am Lift, und es hat mich schon Jahre nicht mehr hingeschmissen. Ha, da fallen sie immer kreuz und quer, die Holländerinnen, weil du die Eisplatte ja nicht siehst, wenn der Neuschnee darauf liegt. Aber ich weiß es natürlich. Aber jetzt bin ich so erschrocken, daß ich es vergessen habe. Hätte blöd ausgehen können, aber ich habe gerade noch die Not-Off-Säule erwischt und mich direkt am roten Not-Off-Schalter aufgefangen. Dann ist er gestanden, der Lift», sagt der Lift Lois.
    «Und ich bin auch noch gestanden. Ich gehe zurück zu dem Sessel mit der Leiche, ein bißchen zittrig in den Knien von dem Schreck, daß es mich fast hingelegt hätte. Aber noch bevor ich dazu komme, den Schnee von der Leiche zu klopfen, klingelt das Richttelefon in der Hütte. Ich weiß nicht, soll ich jetzt die Leiche abklopfen, oder soll ich zum Richttelefon hineingehen. Aber das Telefon hört nicht auf, und weil es eh egal ist, gehe ich schnell hinein.»
    Ein bißchen hat es der Liftsteher vielleicht übertrieben mit dem Pausenmachen, weil an der Stelle hat er das Bierglas angesetzt und einen abnormal langen Zug gemacht.
    «Auf der Bergstation von meinem Lift ist inzwischen der Wörgötter angekommen. Auch schon ein alter Fuchs», lächelt der Lift Lois.
    «Aber jetzt ruft er ganz aufgeregt und außer sich geraten herunter, daß bei ihm oben gerade auf einem Liftsessel eine Leiche angekommen ist. Und in dem Moment, wo sie oben war, ist der Lift stehengeblieben.»
     

2
    Von Amerika aus betrachtet, ist Zell ein winziger Punkt. Aber vom Pinzgau aus gesehen: vierzig Hotels, neun Schulen, dreißig Dreitausender, achtundfünfzig Lifte, ein See, ein Detektiv.
    Der Detektiv gehört aber eigentlich nicht zu Zell. Der ist natürlich nur wegen der Liftgeschichte dagewesen. Die beiden Amerikaner sind Ende Dezember am Sessellift in Zell erfroren. Und Anfang September ist der Detektiv immer noch dagewesen. Jetzt hat er langsam das Gefühl bekommen, daß er hier nicht mehr wegkommt.
    Wie wenn man anwächst, so ein Gefühl. Oder wie wenn du dich verirrst in einem Labyrinth, oder du heiratest und Kinder hast. Da ist der Detektiv, Brenner hat er geheißen, schon ein paarmal in der Nacht aus dem Schlaf aufgeschreckt. Weil er geträumt hat, daß er Zell so lange nicht mehr verlassen darf, bis er den aussichtslosen Fall der beiden Amerikaner gelöst hat.
    Dann hat er ihn aber doch noch gelöst, obwohl es allen aussichtslos vorgekommen ist. Es war ja jetzt schon ein Dreivierteljahr nach der Tat, muß man sich einmal vorstellen. Im Dezember die Leichen, und jetzt schon die nächste Wintersaison vor der Tür. Die Polizei hat es ja schon Ende Jänner aufgegeben gehabt.
    Da ist der Brenner noch dabeigewesen bei der Polizei. Ende Dezember sind sie aufgetaucht aus der Stadt, haben alles durcheinandergebracht, und Ende Jänner sind sie wieder verschwunden. Nichts und aussichtslos. Nur die
Pinzgauer Post
hat noch eine Zeitlang darüber geschrieben. Bis Mitte Februar vielleicht. Aber dann aus und

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