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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Gegend gibt es mehrere Wochenendhäuschen, über den See schippert auch hier und da mal ein Boot. Alle kennen die Reichardts, sie sind seit fast zwanzig Jahren hier. Man sieht Eugenia und Isabel schnell an, dass sie nicht zum Freundeskreis des Unternehmers gehören. Ihre Kleidung, ihre Haltung, ihr Benehmen   – sie sind zu unscheinbar, zu wenig selbstbewusst. Die Gäste hier sind lauter, sie bewegen sich selbstverständlicher. Als ob die Welt ihnen gehört.
     
    Eugenia durchstöbert den Schrank. Sie tut es nicht gern, das sieht man. Aber auch ihr ist kalt. Ein warmer Wollpullover für Isabel, einer für sie selbst.
    Christoph legt den Arm um Isabel. Wärmt sie. Endlichlegt sie ihren Kopf auf seine Schulter. Er flüstert ihr beruhigende Worte zu, streicht ihr über die dunklen Locken. Sie starrt mit großen Augen vor sich hin.
    »Ich will hier nicht weg.«
    Hier, das meint Deutschland. Er weiß es.
    »Ihr müsst nicht weg, versprochen.«
    »Das kannst du mir gar nicht versprechen, denn du entscheidest das nicht.«
    »Aber ich tue alles, damit euch niemand findet.«
    Eugenia hat löslichen Kaffee entdeckt und holt nun drei Tassen aus dem Schrank.
    »Ich war’s nicht«, sagt Isabel leise.
    Christoph versteht erst gar nicht, was sie meint, der Gedanke, sie könnte Kröger getötet haben, ist für ihn völlig abwegig.
    »Kröger war ein Ekel, okay. Widerlich, gemein, rücksichtslos, ein Machoarsch und ein Idiot. Aber du kannst doch nicht jeden Idioten gleich umbringen.«
    Er meint es ironisch, er will sie aufmuntern, grinst selbst schief über seinen misslungenen Witz. Isabel lächelt nicht einmal, auch Eugenia bleibt ernst. Sie sieht ihre Tochter besorgt an, die weicht ihrem Blick aus.
    Christoph sieht den Blick: »Stimmt was nicht?«
    Isabel streicht ihm liebevoll übers Haar, küsst ihn.
    Seine Frage ist vergessen.
     
    »Ich bleibe bei euch«, sagt er, als Eugenia ihn fortschicken will.
    »Du gehst zurück in dein Leben und tust so, als wäre alles in Ordnung«, widerspricht sie.
    »Sonst sind sie uns gleich auf der Spur«, ergänzt Isabel.
    Er muss auf die beiden hören. Sie sind Experten, was Verstecken, Verheimlichen, Verbergen angeht.
     
    Christoph verabschiedet sich. Wie besprochen, fährt er nach Hause. Offenbar haben seine Eltern noch gar nicht mitgekriegt, dass er weg ist. Sonst hätten sie auf dem Handy angerufen. Wenn sie doch etwas gemerkt haben und ihn fragen, wird er sagen, dass er nicht schlafen konnte und ein bisschen herumgefahren ist.
    Nur Isabel nicht erwähnen. Er muss verhindern, dass Isabels Verschwinden mit ihm in Verbindung gebracht wird. Denn dass sie weg ist, wird bald auffallen.
    Frühstück mit den Eltern, die nichts ahnen. Dann zur Schule. Nachmittags soll er mit den Einkäufen hinausfahren ins Waldhaus.
    Jetzt nichts falsch machen. So tun, als wäre alles ganz normal.
     
    »Hey, Alter, alles klar?«
    Christoph setzt sich zu Ben, schiebt ihm die Mathehausaufgaben rüber.
    Ben grinst. Genug Dank für einen Kumpel.
    Ben ist mit Abschreiben beschäftigt. Christoph ist froh, so merkt sein Freund nicht, wie sehr er durch den Wind ist.
    Jetzt bloß nicht schlappmachen.
    Sich nichts anmerken lassen.
    Christoph sieht kurz zu Isabels Platz.
    Er wird leer bleiben.
    Wahrscheinlich für lange Zeit.
    Vielleicht für immer.

2.   Kapitel
    Es war der Tag nach den Weihnachtsferien. Wir hatten alle keine Lust auf Schule. Draußen schneite es dicke Flocken. Ich konnte mir hundert Dinge vorstellen, auf die ich jetzt mehr Bock gehabt hätte, als hier zu sitzen und Stratebeck zuzuhören, wie er von 1968 faselte.
    »Wir haben Deutschland neu gestaltet.«
    »Das haben vor Ihnen schon mal welche gesagt«, fiel ihm Ben ins Wort. Dafür gab es einen Verweis. Vergleich mit der Nazizeit, sagte Stratebeck sauer.
    »Das habe ich gar nicht gemeint«, verteidigte sich Ben. »Ich dachte an Karl den Großen oder Bismarck. Beide haben das Deutsche Reich quasi erfunden.«
    Dabei grinste Ben, denn natürlich sprach er nicht von Bismarck. Er wollte den Helden von ’68 einfach nur ärgern.
    »Dass Sie so mit mir reden dürfen, das verdanken Sie den Achtundsechzigern.«
    »Dankeschön!«
    Ben sah sich auffordernd in der Klasse um.
    »Dankeschön!«, brüllten wir alle und fingen dann an zu lachen.
    Provozieren war Bens Lieblingsbeschäftigung. Mir war das immer zu anstrengend. Aber wie alle anderen machte ich mit, wenn er uns dazu animierte, und wir hatten Spaß daran.
     
    Nach der Pause war gerade wieder Ruhe in der

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