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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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1. KAPITEL
    Nebraska-Nationalforst
    Halsey, Nebraska
    Dawson Hayes blickte über das Lagerfeuer hinweg. Er erkannte die Versager sofort. Es war beinahe zu einfach, sie auszumachen.
    Er hätte so tun können, als habe er eine Art Superradar, mit dem er die Leute durchschauen konnte, aber in Wahrheit erkannte er sie, weil er … wie ging der Spruch noch mal? … aus dem gleichen Holz geschnitzt war. Vor nicht allzu langer Zeit hätte es ihn noch dort drüben zu ihnen hingedrängt, hätte er sich gefragt, warum er eingeladen worden war, schwitzend und voller Neugier, was der Preis für diese Einladung sein würde.
    Sie taten ihm nicht leid. Sie hätten nicht zu kommen brauchen. Niemand hatte sie in einen Kofferraum geworfen und hierhergeschafft. Also würde alles, was hier geschah, gewissermaßen ihre eigene Schuld sein. Der Preis, den sie zahlen mussten für den Wunsch, jemand sein zu wollen, der sie nicht waren. In den Klub der Coolen wurde man nicht aufgenommen, ohne ein Opfer zu bringen. Und falls sie anders darüber dachten, dann waren sie wirklich hoffnungslose Versager.
    Dawson akzeptierte wenigstens, wer er war. Oder besser gesagt: Es machte ihm nichts aus. Er unterschied sich gerne von seinen Mitschülern, und manchmal trug er auch seinen Teil dazu bei. An den Freitagen, an denen Football gespielt wurde und alle in den Schulfarben herumliefen, trug er Schwarz. Als Außenseiter wurde er wenigstens bemerkt. Trainer Hickman verdrehte jetzt sogar die Augen, sowie er ihn sah – bevor er anfing, freitags schwarze Sachen anzuziehen, hatte der Trainer sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich seinen Namen zu merken.
    Zu Beginn eines jeden neuen Schuljahrs, wenn der Trainer vor dem Geschichtsunterricht die Namensliste durchgegangenwar, hatte er „Dawson Hayes“ gerufen und sich im Klassenzimmer umgesehen. Er schaute über Dawson hinweg und manchmal direkt in sein Gesicht. Wenn Dawson dann die Hand hob, schnellten die Augenbrauen des Trainers überrascht in die Höhe, als hätte er niemals vermutet, dass sich hinter einem so lässigen Namen wie Dawson Hayes jemand mit pickligem Gesicht und zögerlichem, dünnem Arm verbarg. Dawson machte es nichts aus. So langsam wusste man, wer er war, und es spielte keine Rolle, wie es dazu kam.
    Doch Dawson war auch klar, dass er einzig und allein deshalb regelmäßig zu diesen exklusiven Versammlungen im Wald eingeladen wurde, weil Johnny Bosh mochte, was er zu der Party mitbrachte. Jetzt brannte dieses Etwas gerade ein Loch in seine Jackentasche. Er versuchte, den Gedanken daran zu verdrängen. Versuchte, nicht daran zu denken, wie er es vorhin aus dem Holster seines Vaters mitgehen ließ, während dieser geschlafen hatte, weil er keine Nachtschicht hatte. Genau – er hatte es mitgehen lassen, nur ausgeliehen, nicht geklaut. Seinen Dad würde es wahrscheinlich gar nicht mal stören, solange er nicht erfuhr, dass Dawson sich mit Johnny B. traf. Okay, das stimmte nicht. Sein Dad wäre stinksauer. Aber ermunterte er Dawson nicht dauernd dazu, Freunde zu finden und Dinge zu tun, die andere in seinem Alter auch machten? Anders ausgedrückt: Er sollte zur Abwechslung mal ein ganz normaler Teenager sein.
    Und genau das war Teil des Problems: Er war einfach zu normal. Er war kein Sport-Superstar wie Johnny B. oder ein harter, Tabak kauender Cowboy wie Lucas oder ein Genie wie Kyle. Doch schon den X26-Taser einfach nur zu halten, mit dem leichten leuchtend gelben Gehäuse, das perfekt in seiner Hand lag, gab Dawson eine ganz neue Identität und Selbstvertrauen. Er musste nur zielen, und wham! , schossen 50.000 Volt pure Elektrizität heraus. Und mit einem Mal war Dawson Hayes jemand. Eben noch schwach, jetzt stark. Mit diesem kleinen Stück Technik in seiner Hand konnte er alles erreichen.
    Gut, vielleicht lag es nicht nur an dem Taser. Vielleicht hatte auch das Salvia ein bisschen damit zu tun. Er kaute jetzt seit etwa einer Viertelstunde darauf herum und konnte die Wirkung schon spüren. Aber das war nur einer der Höhepunkte heute Abend.
    Dawson suchte die Kamera, die hinter einigen niedrig hängenden Kiefernästen verborgen war. Sie war gut versteckt, und er konnte das blinkende grüne Licht nur deshalb ausmachen, weil er Johnny vorhin geholfen hatte, sie aufzustellen. Sie hatten darauf geachtet, dass das Stativ mit den Zweigen verschmolz. Sonst wusste niemand, dass es die Kamera gab. Es hatte seine Vorteile, der geduldete Außenseiter zu sein.
    Dawson blickte über den Zeltplatz,

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