Aufstand der Maschinen
anderen zu hören.
»Und ich glaube, daß Sie der Falle aus dem gleichen Grund wie ich ausgewichen sind«, fuhr der andere fort. »Erschreckt Sie die steigende Zahl der Verkehrstoten nicht ebenfalls? Haben Sie sich nicht auch schon gefragt, weshalb immer mehr Unfälle passieren, obwohl die neuen Automodelle angeblich immer sicherer werden?«
»Nun ...« Charles Henry zögerte. »Die Sicherheitsingenieure behaupten, daran sei die wachsende Zahl von Fahrzeugen schuld.«
»Ich weiß, was sie sagen, aber ich bezweifle sehr, daß Sie daran glauben.«
»Ich bin kein Statistiker, deshalb kann ich nicht beurteilen, ob ...«
»Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind«, forderte ihn der Unbekannte auf. »Denken Sie nur an die gute alte Zeit zurück, in der die Unfallziffern noch veröffentlicht wurden. Im Jahre 1965 wurden etwa 47 000 Tote und 170 000 Verletzte auf unseren Straßen gezählt. Damals hieß es noch, in den nächsten fünfzehn Jahren würden etwa eine Million Menschen bei Verkehrsunfällen umkommen, aber es waren fast zwei Millionen. Bis zur Jahrhundertwende wurden fast zehn Millionen Verkehrstote gezählt.«
»So viele? Großer Gott!«
»Ja. Dann wurde zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts das echte Auto-Mobil entwickelt, und die Sache kam erst richtig in Schwung. Wissen Sie, wie viele Verkehrstote es seitdem gegeben hat?«
»Nein«, antwortete Charles Henry bedrückt.
»Zwölf Millionen Tote und dreißig Millionen Verletzte! In fünfzehn Jahren mehr als im ganzen letzten Jahrhundert!«
»So viele?« murmelte Charles Henry trübselig.
»Und jetzt das hier!« fuhr der Fremde fort, indem er Charles Henrys Zeitung aufschlug, so daß die Schlagzeile sichtbar wurde: 10 000 VERKEHRSTOTE AM WOCHENENDE!
»Mein Gott, das ist das bisher schlimmste Wochenende«, sagte Charles Henry und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Zehntausend! Allein in Amerika?«
»Allein in Kalifornien, mein Freund«, erwiderte der Mann gelassen.
»Unmöglich! Wie können die Menschen so dumm und leichtsinnig sein?«
»Selbst Menschen sind nicht so dumm und leichtsinnig«, versicherte ihm der Mann. »Schließlich sind sie keine Lemminge, nicht wahr?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Charles Henry.
»Meiner Überzeugung nach sind unsere Autos entweder besser oder schlechter, als wir annehmen.«
Charles Henry schüttelte nur den Kopf.
»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie wunderbar kompliziert die Elektronengehirne in den neuen Autos sind?«
»Ja, ich weiß, aber ...«
»Könnte es nicht eine ihrer Funktionen sein, Menschen zu töten?«
»Das ist verrückt!« protestierte Charles Henry sofort. »Wer das glaubt, rüttelt an den Grundfesten unserer Zivilisation.«
Der andere zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen, aber was halten Sie von dieser kleinen Meldung?« Er blätterte etwas und las dann vor: »›Detroit rechnet dieses Jahr mit einem neuen Produktionsrekord von fünfzehn Millionen Autos.‹ Sehen Sie, jetzt vermehren sie sich sogar schneller als wir.«
»Aber warum? Warum?«
»Warum hat der Homo sapiens den Neandertaler ausgerottet? Die Naturgesetze bestimmen, daß nur der Fähigste überleben kann. In unserer heutigen Welt ist das Auto besser zum Überleben geeignet als wir Menschen.«
Charles Henry schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen! Das kann ich nicht glauben.«
»Warum haben Sie kein Auto?«
»Ich kann mir keines leisten.«
»Das glaube ich nicht«, stellte der Mann fest.
»Die neuesten Modelle kosten mit allen Extras über zwanzigtausend Dollar«, erklärte Charles Henry ihm. »Dafür bekomme ich schon eine Dreizimmerwohnung, und ich lebe lieber in meinem eigenen Appartement.«
»Sie könnten beides haben«, behauptete der Unbekannte. »Denken Sie nur an die vorteilhaften Angebote, die Sie bisher ausgeschlagen haben ... ›Sie bekommen den Wagen zum halben Preis‹ ... ›Wir übernehmen die Garagenmiete für ein Jahr‹ ... ›Wir leihen Ihnen zinslos Geld für Benzin.‹«
»Woher wissen Sie, was man mir angeboten hat?«
»Was glauben Sie? Die Vertreter sind auch ständig hinter mir her.«
Charles Henry nickte langsam. »Das ist nicht sehr angenehm, was? Es hat praktisch meine Ehe ruiniert. Meine Frau fängt jeden Abend wieder davon an, und ich habe sogar Verständnis für ihren Standpunkt. Sie hat in gewisser Beziehung recht. Wir sitzen jeden Abend zu Hause; wir gehen nie aus, weil wir nicht können. Alles ist nur für Autofahrer eingerichtet –
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