Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
1. Einblick – Worte der Kraft und des Dankes
Im Namen des Herrn und Schöpfers der Seele, des Schöpfers des Wortes,
im Namen des Herrn über das Leben und über uns, im Namen des Herrn,
der uns nährt und uns leitet.
Dieses Buch entsteht im Namen Gottes, der schön ist,
der die Schönheit erschaffen hat und der die Schönheit liebt.
Vor vier Jahren hat eine Katastrophe mein Leben verändert. Eine Katastrophe, an deren Folgen ich jedoch nicht zerbrochen bin.
Ich kam auf wundersame Weise wieder auf die Beine. Vier Jahre nach dem verheerenden Einschnitt habe ich genug Kraft, um endlich meine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die schmerzt. Eine Geschichte, die mich innerlich aufwühlt, traurig macht und an manchen Tagen fast verzweifeln lässt. Aber ich muss sie erzählen.
Tränen rinnen über mein Gesicht, während ich Dutzende von Bändern bespreche – die Tränen sind das Einzige, was meine Augen noch zu leisten vermögen. Aber ich muss mich von diesem Unglück befreien. Ich muss gegen dieses Schicksal ankämpfen. Es hat vor vier Jahren von mir Besitz ergriffen. Aber es hat mich nicht bezwungen. Und es wird mich auch in Zukunft nicht besiegen.
Dieses Buch soll dazu beitragen, dass es nie wieder einen Fall »Ameneh Bahrami« geben wird. Nie wieder soll eine Frau oder ein Mädchen das Opfer einer Säureattacke werden. Nie wieder sollen Frauen verätzt oder verbrüht werden, nur weil sie einen eigenen Willen haben. Nach mir soll kein Mensch mehr durchleiden müssen, was ich ertragen muss. Mein größter Wunsch ist es, unsere Gesellschaft dazu zu bewegen, ihren Egoismus zu überwinden sowie Missgunst und Stolz hinter sich zu lassen.
Wir dürfen die Kräfte, die Gott uns geschenkt hat, nicht dazu nutzen, unsere Mitmenschen zu quälen. Wir sollten nicht danach trachten, dem andern zu schaden. Niemand soll Macht über einen anderen Menschen haben dürfen. Niemand soll sich ungestraft nehmen können, was er besitzen möchte. Schon gar nicht das Leben, die Gesundheit oder die Schönheit eines freien Menschen.
Was ich durchgemacht habe, mag manchem unglaublich erscheinen. Selbst mir fällt es sehr schwer, zurückzuschauen und mir alles Geschehene in Erinnerung zu rufen. Wie oft stiegen mir in den vergangenen Monaten und Jahren bittere Tränen in die Augen – wie oft versagte mir die Stimme. Wie oft wollte ich aufgeben, weil mich die Schmerzen in meinem Gesicht, in meiner Speiseröhre, in meinem Magen, an meinen Händen und Armen fast verrückt werden ließen. Und wie oft war ich am Ende meiner Kräfte, wie oft drohten mein Wille und meine Entschlossenheit mich zu verlassen.
Vielen Menschen, die mir auf meinem Weg beigestanden haben, bin ich sehr dankbar. Mein größter Dank aber gilt meiner lieben Familie, die mit mir gelitten und mich auf meinem schweren Weg begleitet hat.
Meines Großvaters – wo immer er jetzt sein mag – möchte ich besonders gedenken. Ihn habe ich sehr geliebt, und seine Güte und Weisheit haben mir dabei geholfen, meinen unbändigen Zorn zu beherrschen.
Meinem lieben Freund Dr. Saburi bin ich dankbar. Seine beruhigende Stimme und seine Besonnenheit, die er auf mich übertragen hat, haben mir immer wieder Mut gemacht. Mein besonderer Dank geht an Doktor Ramón Medel Jiménez, der mir durch seine Freundlichkeit und seine geschickten Hände Selbstvertrauen gegeben hat und noch immer mehr davon gibt.
Herrn Yaghoubzadeh gilt mein Dank, der mich bis heute unterstützt. Dank an Mariam Rassulipanah, Ashraf Arab und allen Freunden und Kommilitonen für ihre Hilfe und ihren Beistand. Auch allen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank. Für sie und alle, die hier nicht namentlich genannt sind, will ich mich nach Kräften bemühen, meine Geschichte so zu erzählen, dass sie alle gewürdigt sein mögen.
Meine Erfahrung soll all jenen Menschen helfen, die einen schweren Schicksalsschlag zu bewältigen haben, und ihnen zeigen, wie man auch in der größten Dunkelheit wieder Zuversicht schöpfen kann. Schwere Zeiten machen uns zu dem, was wir sind. Wer schwere Zeiten erlebt, lernt die schönen Seiten des Lebens noch besser schätzen. Etwas zu verlieren fällt schwer, aber es setzt auch ungeahnte Kräfte frei.
Blind und gezeichnet, stehe ich heute doch wieder auf eigenen Füßen und kämpfe dafür, dass man jedem Menschen das Recht und die Freiheit gewährt, über sich selbst zu bestimmen. Jeder Mensch muss so leben dürfen, wie er es möchte, und soll auch die Mittel dazu
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