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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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wache nicht auf. Mein Traum nimmt kein Ende. Ich starre in meine hohlen Hände. Sehe zwei Glasaugen. Höre eine Stimme. Sie klingt fremd. Herr im Himmel: Wenn du mir mein Augenlicht zurückgegeben hättest, hätte ich ihm verziehen. Vielleicht. Nun aber bringe ich ihm ein Geschenk. Eines, das ihm keine Freude machen wird. Er wird sein Gesicht nicht verlieren, wie ich. Aber er wird diese Augen aus Glas bekommen. Und ich werde mich fragen: Ob er wohl weinen wird damit? Wenn ja, dann sicher nicht aus Scham oder aus Reue, sondern aus Abscheu und Verachtung für mich. Er wird sich daran gewöhnen, seine Welt wie im Traum wahrzunehmen – so wie ich. Wird er den Weg finden in sein neues Leben? Wird er sein neues Leben lieben? Wird er die Kraft dazu haben? Oder wird er sich verirren und unterwegs aufgeben?
    Ich bringe dir etwas, das auch ich habe. Denn was mein ist, soll auch dein sein. Damit die Liebe in dir nie erlischt. Damit dir ewig unvergesslich sei die Verheerung, die du aus Liebe angerichtet hast. Alle Liebenden dieser Erde hast du beschämt mit deiner Tat! Madschnun, Tristan, Romeo – alle! Das kann die Leilas, Isoldes, Julias dieser Welt nicht unberührt lassen! Und so habe ich lange nach einem passenden Geschenk für dich gesucht. Mit Erfolg. Schau, wie es schillert, in den prächtigsten Farben der Liebe und des Hasses, einzigartig: zwei Glasaugen, nur für dich gemacht. Weißt du, wie sehr ich den Tag herbeisehne, an dem ich dir dein Geschenk überreiche? Mach dich bereit. Ich bin auf dem Weg zu dir …
    Ich fuhr hoch, schweißgebadet. Hellwach. War ich tatsächlich schon auf dem Weg? Ich saß eine Weile in der Dunkelheit, versuchte, meine Gedanken zu ordnen, und mir fiel ein Gespräch mit meinem Großvater ein. Das letzte, das ich mit ihm führte …
    »Willst du das wirklich tun?«
    »Ja. Er verdient’s doch nicht anders. Außerdem soll keine Frau nach mir durchmachen müssen, was ich durchgemacht habe!«
    »Willst du es wirklich tun, oder kostest du nur deinen Sieg aus? Ameneh, Kind, glaub mir: Der junge Mann bereut, was er getan hat. Er kann es nur nicht sagen.«
    »Er hat mich zerstört, Opa, er hat mein Leben zerstört. An mir ist nichts mehr, wie es war.«
    »Ja, ich weiß, mein Kind. Und ich habe mit dir gelitten, aus allertiefstem Herzen. Ich sage dir: Gib den jungen Mann in Gottes Hand. Der Herr wird wissen, was das Beste für ihn ist.«
    »Opa, ich hab mir das Recht auf Vergeltung hart erkämpft. Warum soll ich ihn nun Gott überlassen?«
    »Tu es mir zuliebe, Ameneh, ich bitte dich!«
    »Und was, wenn morgen wieder ein Mädchen zum Opfer einer solchen Gräueltat wird? Dann hab ich sie nicht verhindert!«
    »Wenn ich bald sterbe, möchte ich in dem Wissen gehen können, dass meine Enkelin ein großes Herz hat.«
    »Opa, ich hab schon lange kein Herz mehr. An dessen Stelle ist mir nur ein Stein geblieben. Wäre die Welt überhaupt besser, wenn alle Menschen auf ihr Herz hören würden?«
    »Als dein Großvater möchte ich dir sogar verbieten, Vergeltung zu üben! Sei vernünftig, Ameneh. Denk an später, denk an deine Kinder … Verbaue dir nicht den Weg in deine Zukunft! Heute bejubeln sie dich, ja, heute feiern sie deinen Sieg mit dir. Aber morgen, schon morgen werden sie dich verachten, Ameneh, vergiss das nicht.«
    Schweigen meinerseits.
    »Ameneh? Bist du noch da? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
    »Ich muss nachdenken, Opa.«
    »Du tust gut daran, mein Kind. Vergiss nicht: Es gibt Dinge, die ein Mensch nicht tun darf, auch wenn er dazu in der Lage ist. Es gibt Taten, die eines Menschen nicht würdig sind. Begreifst du das?«
    »Aber der Kerl hat vor seinen Zellengenossen geprahlt: ›Ich war sechs Monate lang in den Schlagzeilen!‹«
    »Ihr seid also in einen Wettstreit getreten. Ich sage dir eines, mein liebes Kind: Den Wettstreit um die Menschlichkeit gewinnt, wer verzeiht. Nicht der, der nimmt oder zerstört.«
    Am Ende werde ich ja sehen …

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