Auge um Auge (German Edition)
Augen.
···
Ich wachte davon auf, dass Rennie mich an der Schulter rüttelte. »Steh auf, Lillia. Steh auf.«
Es war dunkel. Ich lag auf einer Ledercouch, meine Beine hingen seitlich runter. Mein Tanktop und meine Shorts waren verschwunden, ich hatte nur meinen einteiligen Badeanzug an. »Was ist denn los?«, krächzte ich. Mein Mund fühlte sich trocken und pelzig an, in meinem Kopf drehte sich alles.
Rennies Augen waren riesig, sie beugte sich dicht über mein Gesicht und flüsterte: »Pssst!« Ihr Atem roch nach Tequila. Ihre Schuhe hielt sie in der Hand. »Wir müssen hier weg.«
Ich setzte mich auf, und sofort drehte sich der ganze Raum. Ich war noch immer betrunken. Jemand lag schlafend im Bett. Dieser Mike war es jedenfalls nicht. Ich hatte keine Ahnung, wo er sein konnte.
Rennie suchte jetzt auf allen vieren nach meinem Top. Sie fand es beim Schreibtisch. Schnell zog ich es über. Meine Shorts entdeckte ich unter einem der Couchkissen. Rennie öffnete die Schlafzimmertür einen Spalt, dabei behielt sie den Typen im Bett im Auge. Dann schob sie mich vor sich her zur Tür hinaus.
Das Haus war wirklich ein einziges Chaos. In den Zimmern, an denen wir vorbeikamen, und auch auf einer Ausziehcouch im Wohnzimmer schliefen Leute. Ich wagte nicht einmal zu atmen, während ich, dicht gefolgt von Rennie, zur Haustür rannte.
Erst als wir unten an der Straße waren, hörten wir auf zu rennen. Ich fiel schwer atmend gegen den Briefkasten. Rennie hockte sich hin und zog ihre High Heels an. Ich stand neben ihr und versuchte mich zu erinnern, was passiert war. Wo diese Nacht geblieben war. In meinem Kopf war ein einziger Nebel.
Dann auf einmal war alles wieder da: Erst gab’s Tequila-Shots, dann sind wir mit den Jungs hoch ins Schlafzimmer. Sie wollten einen Film mit uns gucken, sagten sie. Mike küsste mich am Hals. Hob mich hoch und setzte mich auf den Schreibtisch. Ich küsste ihn zurück. Es gefiel mir. Am Anfang jedenfalls, dann nicht mehr. Ich habe Nein gesagt. Ich meine doch, ich hätte Nein gesagt. Hat er mich nicht gehört?
Ich spürte, wie Gallensaft in meiner Kehle hochstieg. »Ich glaube, mir wird schlecht.«
Ich fing an zu würgen, und Rennie führte mich zum Straßenrand, wo ich alles auskotzte.
»Wir müssen laufen«, sagte Rennie. »Mein Jeep ist zugeparkt.«
»Nein!« Ich weinte bereits. »Wir können unmöglich den ganzen Weg nach T-Town laufen! Das ist viel zu weit.«
»Wir müssen aber.« Mitleidig klang sie nicht. »Auf geht’s.« Und schon ging sie los.
Lange Zeit sagte ich kein Wort, sondern weinte nur vor mich hin. Rennie lief immer ein paar Schritte vor mir her, mit durchgedrücktem Rücken. Die Füße taten mir so weh in meinen Sandalen, aber ausziehen konnte ich sie auch nicht, weil so viele Glasscherben auf dem Weg lagen. Ab und zu fuhren Autos an uns vorbei, und jedes Mal fragte ich mich, ob eins für uns anhalten würde, doch sie bremsten nicht einmal ab.
Ich übergab mich noch einmal ins Gras, und Rennie kam und klopfte mir auf den Rücken.
»Ich kann nicht mehr laufen«, sagte ich und schlang beide Arme um mich.
»Doch, du kannst. So weit ist es nicht mehr.«
Rennie ging wieder los, doch dieses Mal rührte ich mich nicht von der Stelle.
»Wir müssen jemanden anrufen. Ich – ich glaube, ich muss ins Krankenhaus. Ich glaube, Mike hat mir irgendwas ins Glas gekippt.«
»Der hat dir nichts ins Glas getan.« Der Wind zerrte an ihren Haaren. »Du hattest einfach zu viel, das ist alles.«
»Das ist nicht alles! Er – ich hab nicht ...« Ich weinte jetzt so heftig, dass ich die Tränen auf den Lippen spürte. »Ich könnte mir irgendeine Geschlechtskrankheit eingefangen haben! Ich könnte schwanger sein!«
Rennie schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, er hat ein Kondom benutzt.« Sie sah zur Seite. »Er kam zu uns rüber und hat sich bei Ian eins besorgt.«
»O mein Gott! O mein Gott!« Das sagte ich immer wieder, wie ein Gebet. Die Bitte, dass dies sich als ein Albtraum herausstellte, dass ich aufwachte und nicht hier wäre. Überall sonst, nur nicht hier.
»Lil, du musst ...«
»Hast du mit Ian geschlafen?«
»Ja«, sagte sie leise.
»Wieso hast du mir nicht geholfen?« Ich weinte. Jetzt erinnerte ich mich wieder, dass ich ihren Namen gerufen hatte. Und dass ich sie mit Ian im Bett sah. Mike küsste mich am Hals, dann zog er mir den Badeanzug vorn so weit runter, wie es ging. »Rennie!«, rief ich. Danach weiß ich nichts mehr.
»Dir ging’s doch gut! Du hattest
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