Auge um Auge
verkündet: »Champagner steht dir nicht.«
»Ich weiß«, sage ich. Ich setze mich auf einen der dick gepolsterten Stühle nahe beim Spiegel. Auf einmal habe ich überhaupt keine Lust mehr, Kleider anzuprobieren.
»Das hier ist klasse«, sagt Rennie, »aber ich weiß nicht.« Ihre Stimme klingt traurig. »Ich wünschte, ich hätte es als Letztes anprobiert.«
Das Kleid ist eng anliegend, aus silbernem Stoff und übersät mit Pailletten. Es ist genau das, was Rennie von Anfang an haben wollte. Ich schwöre – Rennie kriegt immer, was sie will. »Wovon redest du überhaupt?«, frage ich.
»Es ist das Erste, das ich anprobiert habe, und irgendwie habe ich das Gefühl, wenn ich es jetzt nehme, gebe ich mich zu früh zufrieden, verstehst du? Das erste Kleid ist nie perfekt.«
Ich antworte ihr nicht, sondern betrachte meine Fingernägel.
»Lillia!«, quengelt Rennie. »Was meinst du denn? Ist es das richtige?«
Ich spitze den Mund, tue so, als würde ich nachdenken, und sage dann: »Ja, doch. Ich glaub schon.« Dabei sieht das Kleid fantastisch an ihr aus.
Rennie schnaubt genervt, meine Gleichgültigkeit enttäuscht sie. Sie schaut wieder in den Spiegel und lächelt. Sie weiß sehr wohl, wie gut sie aussieht, das muss sie nicht erst von mir hören. Was ich sage, was ich denke, interessiert sie doch gar nicht.
Sie dreht sich um und kontrolliert, wie das Kleid am Hintern sitzt. »Vermutlich sollte ich mich besser fragen, ob es Reeve wohl gefällt. Das ist entscheidend, schließlich ist er mein Ballpartner.«
Ich setze mich gerade auf. »Warte mal – gehen wir nicht als Gruppe?« So war es nämlich immer, seit unserem Freshman-Jahr. Es gibt keine Paare. Keiner fragt einen anderen, ob er mit ihm zum Ball geht. Vielleicht beim Abschlussball, aber nicht für Homecoming. Wir sind einfach eine große Gruppe.
»Nicht mehr. Ash geht mit Derek, PJ mit Allie, dieser Süßen aus dem Sophomore-Jahrgang. Und ich gehe mit Reeve.«
»Hast du ihn schon gefragt?«
Wann ist das alles passiert? Wann haben sich alle zu Pärchen zusammengetan, ohne mir ein Wort davon zu sagen?
»Noch nicht. Aber ist doch klar, dass er Ja sagt.« Rennie zupft an ihrem schulterfreien BH herum, um ein besseres Dekolleté hinzubekommen. »Ich sag dir, Lil, das wird unsere Nacht. Er wird toll aussehen, ich werde toll aussehen. Du hast doch selbst gesehen, was beim Flaschendrehen passiert ist. Ein Feuerwerk war das!«
Ich gerate ins Schwitzen. »Und mit wem soll ich bitte gehen?«
Rennie hüpft vom Podest und sagt: »Geh doch mit Lindy.« Damit verschwindet sie in der Kabine.
Großer Gott – meint sie das ernst? Das ist so typisch Rennie, keinen Gedanken daran zu verschwenden, dass Nadia mit Alex zusammen war, was Rennie genau weiß, auch wenn sie es mir gegenüber nicht zugegeben hat! Es ist so unglaublich unsensibel. Und es ist ausgeschlossen, dass ich mit Alex zum Ball gehe, solange auch nur eine entfernte Möglichkeit besteht, dass er mich mag. Schon gar nicht jetzt, nach allem, was ich ihm angetan habe. Das wäre wirklich zu peinlich.
»Ich gehe nicht mit Alex«, sage ich. »Ich fahre einfach mit euch in der Limo.«
Aus der Kabine höre ich Rennies Stimme. »Alle gehen als Paar. Es sieht doch bescheuert aus, wenn du als Einzige ohne Partner hinterherdackelst. Außerdem hat Alex auch noch niemanden. Also wird es sowieso so aussehen, als wärt ihr ein Paar.«
Wie es aussieht, ist mir, ehrlich gesagt, egal. »Ich habe Nein gesagt«, sage ich, diesmal ein wenig lauter.
»Schön, wie du meinst. Ich hab mir nur Gedanken um dich gemacht. Aber meinetwegen, mach, was dein kleines Herz sich wünscht.«
Ich gehe in meine Kabine zurück und zwinge mich, die übrigen Kleider anzuprobieren. Das letzte ist vielleicht ganz hübsch. Es ist schwarz, woran ich vorher gar nicht gedacht hatte, aber vom Schnitt her ist es genau so, wie ich es wollte: schulterfrei, mit einem ausgeprägtem Herzausschnitt und einem kurzen, leicht gebauschten Rock. Raffiniert. Ich verlasse die Kabine und frage Rennie, was sie davon hält. »Mit Schuhen in so einem hellen Pfirsichton?«
Rennie klopft sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen. Überlegt. So war das schon immer. Bei allem habe ich erst Rennie nach ihrer Meinung gefragt, bevor ich mich selbst entscheiden konnte, ob ich etwas gut fand oder nicht.
»Ich glaube, ich nehme es«, sage ich. Die Haare werde ich mir hochstecken, beschließe ich, während ich vom Podest steige und in meine Kabine zurückgehe.
Ich schlüpfe
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