Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
heute ist es
genug,
denke ich.
Du weißt bereits mehr
als
du wissen
solltest.“
*
So gab es vieles was im Verborgenen lag. Rätsel, auf die es
keine Antwort gab. Man fand sie an Orten, wo sich sonst
niemand hinwagte.
Und manche hatten
noch
nie das
Tageslicht gesehen.
Fahler Fackelschein erhellte finstere Gänge und lange, sich
windenden Treppen. Eilig hastete der dicke Novize voran.
Der Mann, der ihm folgte, war schweigsam. Sein Antlitz
wurde von einer dunklen Kapuze verhüllt.
„ Er lebt hier unten“, erklärte der Dicke, „ also erschreckt nicht
wenn ihr ihn seht.“
„Ich hörte, er ist blind.“
„Das ist er. Aber er kann verdammt gut riechen.“
Hastig führte er den Gast durch das Verließ, bis zu einer
schweren Eisentür.
„ Hier ist es “, erklärte der Dicke, „ aber gebt Acht, dass er euch
nicht zu nahe kommt.“
„ Weshalb ? Wird er mich etwa beißen?“
„ Er mag rohes Fleisch “, erwiderte der Jüngling, „ also seid
vorsichtig, er ist einer von der gerissenen Sorte.“
Er öffnete die Tür und ließ den Mann eintreten.
„ Meister !“, rief er laut durch das Sichtfenster, „ Meister ihr
habt Besuch!“
„Er soll näher kommen“, antwortete eine Stimme. Sie klang
dunkel und weit entfernt. Aus dem Schatten des Gewölbes
trat nun ein Mann. Er war gedrungen, haarlos und sein
Gesicht leuchtete bleich in der Finsternis.
„ Ihr duftet nach Parfum“, murmelte er , „kommt näher, damit
ich euch besser riechen kann.“
Vorsichtig zog der Gast seinen Dolch und trat näher. Er sah
zwei weiße, erblindete Augen.
„Es heißt, ihr hättet das zweite Gesicht“, sprach der Besucher,
„ ich bin hier um euch deshalb um Rat zu bitten.“
„Ich weiß warum ihr hier seid“, offenbarte der Alte, „ ich habe
euch kommen sehen, in meinen Träumen.“
„Ich kann euch belohnen“, versprach der Gast, „ was auch
immer ihr wünscht, werde ich euch bringen lassen.“
„Was immer ich mir wünsche?“, lachte der Blinde, „ solange
es nur frisch und jung genug ist. Doch ich will mehr als das!
Ich will meine Freiheit! Und ihr werdet sie mir verschaffen!“
„Nur zu gerne würde ich euch diesen Wunsch erfüllen. Doch
ich befürchte, man wird euch nicht gehen lassen.“
„ Es gibt keine Grenzen mehr! Keine Gesetze! Also schwört es,
bei eurem Blut! Oder mein Wissen wird mit mir verrotten."
„Bei meinem Blut?“
„Tut es!“, verlangte der Blinde, „ und versucht nicht, mich zu
täuschen .“
„Also schön“, sprach der Gast, „ wenn es das ist, was ihr
wollt.“
Widerwillig nahm er seinen Dolch und ritzte sich damit in
den Unterarm. Rotes Blut quoll hervor und tropfte auf die
glänzende Klinge. Er wollte sie abwischen, als der Blinde
sich plötzlich bewegte. Ruckartig schnellte er auf ihn zu und
riss ihm den Dolch aus der Hand.
„ Zurück!“, rief der Besucher.
Aber der Alte leckte es bereits von der Schneide. „Nun ist es
besiegelt“, schmatzte er, „ und es gibt nichts mehr, was euch
davon entbinden kann.“
Den Dolch warf er fort und kam näher .
„Na schön“, wich der Gast zurück , „jetzt seid ihr an der Reihe.
Sagt mir, wo sich das Mädchen befindet!“
„Die weiße Frau hat es“, offenbarte der Alte, „ sie hält sich
versteckt und fürchtet um eure Rückkehr. Das Mädchen ist
der
Quell
der
Verderbnis.
Ihr
müsst sie euch
zu Eigen
machen, bevor es zu spät ist.“
„Dann sind die Prophezeiungen also wahr?"
„Der Tag der Zusammenkunft ist nahe. Schon bald wird der
Dämon von den Toten erwachen und nur einer kann ihn noch
aufhalten.“
„Wer?“
„Man nennt ihn den schwarzen Drachen. Er ist ein Kind eures
Gottes. Ein Bruder der schwarzen Sonne.“
„Wo finde ich ihn?“
„Er findet euch, Lord Seraphim. Und wenn ihr ihm folgt,
werdet ihr herrschen.“
Der Gast erstarrte.
„Woher kennt ihr meinen Namen?“
Der blutige Mund des Alten lächelte. „ Euer Großmeister hat
ihn mir gesagt. Er war es, der mir mein Augenlicht nahm. Und
wenn ihr mich frei lasst, werde ich ihn für euch aus dem Weg
schaffen. Jetzt aber müsst ihr gehen, My Lord. Ich kann
meinen Appetit nicht länger zurück halten “
Daraufhin lief Seraphim zur Tür und klopfte. „ Aufmachen!“, rief er .
„ Gehabt euch wohl“, sprach der Blinde .
Dann wurde sie aufgeschoben. Seraphim schlüpfte hinaus.
Gerade noch rechtzeitig. Durch das Gitter konnte er die
Fratze des Blinden sehen. Gierig presste sich sein Gesicht
gegen das Eisen und entblößte die spitzen Zahnreihen.
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