Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
vermied es in Hanoras Richtung zu sehen. Die Dame
nahm es hin und sah wie sie aus dem Fenster.
Doch schon nach kurzer Zeit war die Fahrt zu Ende. Mit
polternden Geräuschen fuhr die Kutsche in den Hinterhof
eines roten Palazzos und hielt vor einem großen Brunnen.
„ Da wären wir“, verkündete Hanora, „ also tu dir selbst einen
Gefallen und mach nicht so ein trübes Gesicht.“
Die Tür des Gefährtes öffnete sich und ein blaugewandeter
Diener
half
den
Gästen
beim
Ausstieg.
In
ihrem
schwarzweißen
Kleid sah
Hanora tatsächlich
wie eine
Schachfigur aus. Nur wie eine, die sich nicht entscheiden
konnte. Erhobenen Hauptes nahm die Dame ihren Stock
und
stolzierte über den
Eingangsportal.
Treppen
Spiegeln
geschmückter
Empfangsbereich.
Hof. Vell
folgte
ihr
bis zum
führten
hinein.
Und ein
mit
Raum
bildete
den
großen
Alles hier war vergoldet. Die Bilderrahmen, die Lüster. Ein
kleinwüchsiger Mann eilte herbei, um Hanora Mantel und
Stock abzunehmen. Er reichte Velura nur bis zur Hüfte und
mit seiner weißen Perücke sah er aus wie ein Engel.
Widerwillig übergab ihm Vell ihren Reisemantel. Jetzt hatte
sie nur noch ihr Kleid. Und das war so elegant wie ein
Putzlappen.
„ Komm schon!“, drängte Hanora.
Geschäftig raffte die Dame den Rock und eilte ihr voraus in
den nächsten Salon.
Hier war alles blau. Wie in einem Aquarium. Die großen
Vorhänge,
der
orientalische Teppich
und eine kleine,
samtblaue Couchgarnitur.
Jemand saß am Fenster und sah hinaus. Der weißen Perücke
nach, musste er wohlhabend sein und an seiner Seite lehnte
ein schwarzgoldener Spazierstock.
„ Guten Morgen.“ Er wand sich um, und erhob sich. Bei den
Göttern! Es war der Mann vor der Kathedrale! Der Mann mit
dem weißen Gesicht!
Ein schwarzer Schönheitsfleck zierte seine hohlen Wangen
und er trat vor Hanora, um ihr die Hand zu küssen.
„ Mylady. Wie ich sehe, haben wir heute Besuch.“
„ Das ist die Kleine von der ich dir erzählt habe “, entgegnete
die Dame , „ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen .“
„ Keineswegs “,
Amüsements.
versicherte
er
mit
einer
Spur
des
Er hauchte auf
Veluras Handrücken.
Sein
Atem war kühl. Und sie hatte es eilig, ihre Finger zurück zu
bekommen.
„ Wie kann ich helfen ?“, fragte er. Sowohl seine Stimme, als
auch sein Ausdruck strotzten vor Arroganz.
„ Wir benötigen dringend ein Kleid “, bestimmte die Dame,
„ bis heute Abend, und keinen Tag später .“
„ Bis heute Abend?. Nun, das dürfte etwas schwierig werden.“
„Wie schwierig genau?“, fragte Hanora, „ ihr erwartet doch
nicht etwa, dass ich bettle?“
„Etwa siebenhundert“, erwiderte er , „die Seide kommt direkt
aus Olissos.“
„Aber sie ist nur ein Mädchen. Nicht mal die Königin trägt so
ein Kleid. “
„ Das sollte sie aber“, fand er, „ der Zeitgeist verändert sich
ständig. Und wenn wir nicht aufpassen dann, überholt er uns
noch.“
„Also schön“, seufzte Hanora, „ aber bis heute Abend muss es
fertig sein.“
„ Dann sollten wir keine Zeit mehr verschwenden .“
Ein Lächeln umspielte seine hageren Wangen. Den kleinen
Finger
hielt
er
abgespreizt
und betätigte
ein
kleines
Silberglöckchen. Kurz darauf, kamen zwei blaugewandete
Winzlinge herein.
„ Wenn sie sich nun entkleiden ließe“, sprach er , „wir müssen
Maß nehmen.“
„Was?“ , fragte Velura ungläubig.
„ Na los ! „, rief die Dame, „ sie sollen anfangen!“
Zwei Hocker wurden an Vell heran geschoben. Mit ihren
kurzen Beinen kletterten die
beiden Diener hinauf und
machten sich an die Arbeit. Ihre Gesichter erinnerten an
Kinder. Obgleich sie alt und erwachsen waren. Ihre Mienen
waren hoch konzentriert. Und ihre kleinen Hände fanden
schnell jeden Knoten und jeden Knopf.
Vell mochte es nicht, wie Hanora sie anstarrte. Auch die
Augen des Perückenmannes waren ihr unangenehm. Bald
war ihr nicht mehr als ein dünnes Unterhemd geblieben.
Aber die kleinen Finger begannen bereits geschäftig daran
herum zu zerren.
„ Aufhören !“, Aber niemand schien sie zu hören.
„Ich hab gesagt aufhören!“
Wütend fuhr sie herum und stieß einen Zwerg vom Hocker.
Darauf packte sie den nächsten und schubste ihn hinterher.
Wie Äpfel fielen
sie zu
Boden
und kullerten über den
Teppich. Ihre kleinen Gesichter waren wütend. Sie brüllten
in einer Sprache, die Vell nicht verstand.
„ Genug jetzt!“, rief der Hausherr, „ geht und holt Stoff!“ Zornig trollten sie sich von Dannen.
„Ihr müsst wohl entschuldigen“, bat
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