Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
wand sie sich ab und rannte davon.
Willet ließ sie ziehen.
„Sie macht sich ganz ordentlich“, fand Tengol, „ für ein
Mädchen meine ich.“
Er reichte ihm eine Flasche mit Brandwein.
„ Nimm einen Schluck“, empfahl er, „ es wird ein verdammt
langer Nachmittag.“
*
Der neue Tag brachte auch große Hitze mit sich. Die Segel
spannten sich im Wind und trieben das Schiff Richtung
Süden. Währenddessen saß Vell an der Gallionsfigur und
starrte auf ihre Füße. Darunter funkelte die schäumende
See. Der Fahrtwind spielte mit ihrem Haar. Und sie hatte
noch keinen Grund gefunden, ihr selbst gewähltes Exil zu
verlassen. Noch immer war sie wütend. Willet hatte sich bis
jetzt noch nicht blicken lassen. Als hätte das Schiff ihn
verschluckt.
Während sie still vor sich hin litt, legte sich plötzlich ein
dunkler Schatten über sie.
„Sind wir bereit für ein Tänzchen? Hinter ihr stand der
Patrizier.
Mit
gekräuselter
Stirn holte er
seine Weißen
Handschuhe hervor und zog sie an . Ihre Abneigung hatte
sich inzwischen in Gleichgültigkeit verwandelt. Schweigend
sie erhob sich, um ihre Waffe entgegen zu nehmen. „Wie
schön“, beurteilte er ihren Ausdruck, „ sehen wir nun, wie es
um deine Verteidigung bestellt ist.“
*
Rolin
saß auf seinem Fass, während Tengol gerade die
Waffen polierte. Scheinbar waren sie froh, dass es an Deck
wieder Abwechslung gab. Ihre neue Lektion bestand darin,
den Hieben ihres Gegners auszuweichen, oder sie gekonnt
zu
parieren.
Die Worte der
Schranze schienen
sie aus
irgendeinem Grund nicht mehr zu berühren. Stattdessen
versuchte sie sich auf das zu konzentrieren, was er zwischen
den Zeilen sprach. Sie konnte jetzt genauer einschätzten,
was sie falsch machte und was er in Wahrheit von ihr
erwartete. Die Stunden waren dennoch hart und die Sonne
so heiß, dass
sie nach
einiger Zeit
kaum
noch
stehen
konnte. Alles tat ihr weh, jeder Muskel und die Erschöpfung
stand ihr bald ins Gesicht geschrieben.
„ Haben wir uns ein klein wenig zu viel zugetraut?“ , spöttelte
die Schranze.
Vell hätte umfallen
können,
doch
sie kämpfte um
ihre
Fassung.
Plötzlich sah sie Willet an Deck. In seiner Hand trug er
mehrere Karten und auf seinem Gesicht eine ernste Miene.
Er sah nicht zu ihr rüber
Doch der Patrizier hielt ihm das Florett an die Brust.
„ Wie schön, dass du hier bist. Denn ich brauche ein Opfer für
Demonstrationszwecke.“
„ Ich dachte ihr hättet schon eins.“
„Du selbst warst es, der mir eine Unterweisung versprach, “ erinnerte der Patrizier, „ also tu mir den Gefallen, und erfüll
meine Bitte.“
Vell war Schweißgebadet. Und in ihren Augen stand nun ein
Flehen.
„ Na schön “ , gab Willet nach, „ aber beschwert euch nicht,
wenn ich treffe.“
„Keine Sorge“, versicherte die Schranze, „ und
sollte
es
dennoch geschehen, bitte ich um Entschuldigung.“
„Gewährt, n ich erbitte das Gleiche.“
Willet sammelte die Karten und legte sie neben den Mast.
Der
Patrizier
gab
ihm
seine
Waffe
und nahm
sich
stattdessen die seiner Schülerin.
„ Kann ich mich setzen ?“, bat sie.
„ Ich bitte darum und keinerlei Einmischung, verstanden?“ „ Komm hierher“, rief Tengol. Er und Rolin erwarteten Vell
im Schatten der Segel.
„ Bereit? “, fragte der Patrizier.
Er begab sich in die übliche Angriffsposition und legte
seinen linken Arm auf den Rücken.
Willet tat nichts der Gleichen. Er blieb einfach stehen und
spielte mit seiner Waffe. „ Nach euch , es ist eure Stunde.“ „ Wie du meinst “, erwiderte der Patrizier.
Geräuschvoll schwenkte er sein Florett und stieß zu.
Doch
Willet
wich
aus.
Seine
Bewegungen
waren
geschmeidig und dennoch vollkommen mühelos. „ Wer hat
euch unterrichtet Knabe?“
„Ihr Vater, er teilte eure Vorliebe für diese Waffe.“
„Was ist mit dir, Will? Magst du sie nicht?
„Nicht sonderlich, aber für euch wird es dennoch reichen.“ Willet
schlug nach
der weißen
Haarpracht.
Doch
der
Patrizier duckte sich weg.
„ Wie gewagt“, spöttelte die Schranze, „ und das ohne jeden
Stil.“
Mit einem gezielten Hieb schlug er nach Willets Arm und
verfehlte ihn.
„ Vorsicht “, warnte Willet, „ der ist noch angeschlagen.“
„Verzeihung “, bat der Patrizier und stach nach dem anderen.
Willet wich aus, wenn auch nur knapp, und ging nun zum
Ausfall über.
Sie jagten sich über das ganze Deck, ohne die kleinste
Atempause. Der Perückenmann kam ins Schwitzen, doch
Willet bot ihm keinerlei Schwachstelle. Um
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