Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
seiner Heimat,
da nennt man ihn Eisenarm.“
„ Das hättest du früher sagen sollen “, knurrte der Seemann,
„ ich hab‘ mein ganzes Silber verloren. “
Er nahm einen Mund voller Weingeist und presste ihn
langsam die Kehle hinunter.
„ Welche Fracht habt ihr an Bord?“ , fragte Tengol, „ ist es das
Zeug, das du da hinunter kippst?“
„ Nicht nur, auch Wein und Met. Der Kapitän versucht in
Ginleahad einen guten Preis zu bekommen.“
Er reichte Tengol die Flasche und bestand darauf, dass er
trank.
„ Gar nicht so übel “, fand der Nordmann, „ aber nicht halb so
gut, wie das, was ich dabei habe.“
∞
Auch in der Passagierkajüte ging es heiß her.
Vell war schweißgebadet und Willet hielt ihr den Mund zu,
damit sie nicht schreien konnte. Dabei verschmolzen ihre
Leiber, so heftig, dass sie ihm in die Hand biss.
Er stahl ihren letzten Funken.
Danach fiel er in ihre Arme.
Sie war erschöpft. Es war das erste Mal seit Stunden, dass er
ihre Kapitulation annahm. Und das erste Mal, dass sie nicht
darum
betteln
musste.
Stattdessen
badeten
sie
im
Mondlicht. Sogar ihre Augen waren wieder normal und,
dass sie jetzt zu fielen, war ganz allein seine schuld. Sie
fühlte seine Wärme, seine Nähe, in der Art wie er sie küsste.
Alles war wieder gut, in diesem einen Moment
.
Ψ
Im Laufe der Nacht verwandelte sich die Wärme in eisige
Temperaturen.
In
der
Mannschaftskajüte
machte
der
südländische Wein die Runde und sorgte für gute Laune.
„ Wie sicher sind die Seewege?“, wollte Tengol wissen, „ gibt es
irgendwo Probleme?“
„ Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte der Koch, „ das letzte Mal
wurden wir südlich des kyrillischen Beckens angegriffen, und
das ist schon zwei Jahre her.“
„Was ist passiert?“
„Piraten. Wir haben damals drei Männer verloren und einen
Teil der Ware. Aber das größere Problem ist der Sultan.
Immer wieder lässt er Dinge beschlagnahmen. So haben wir
jede Menge Gold verloren.“
„Und der König sieht einfach zu“, grollte der Glatzkopf , „wir
fragen uns allmählich wie lange noch.“
„Räuber und Barbaren“, grummelte Rolin, „ ich hab’s ja immer
gewusst.“
Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife und blies ihnen
Rauch ins Gesicht.
„ Am meisten fürchtet man den Kalifen“, erzählte der Koch,
„ man nennt ihn auch das Monster von Utulom.“
„Wieso Monster?“, fragte Tengol, „ ist er etwa so hässlich?“
„Er ist verstümmelt. Man sagt, er hat nur ein Auge.“
„Und er soll grausam sein“, ergänzte die Glatze, „ er lässt
seine Gefangenen bei lebendigem Leib die Haut abziehen.“
„Man sagt, dass er wilde Bestien hält“, berichtete der Koch,
„ sie sollen noch schrecklicher sein, als er selbst.“
„Nur
noch
einen“, bestimmte Tengol, „ dann
werden
ich
gehen.“
„Na schön“, knurrte Rolin, „ aber warte gefälligst.“
*
Doch sie waren nicht die einzigen, die genug hatten. Auch
der Patrizier hatte es eilig. „Einen kurzen Moment noch“, rief
er und füllte die Münzen in seinen Beutel.
Die Mienen
der
Pokerspieler waren
feindselig
und er
schickte sich an, seinen Platz zu verlassen.
„ Vielen Dank, meine Herren. Ich stehe ihnen jeder Zeit zur
Verfügung.“ Er lächelte und folgte dem Windschatten des
Nordmannes.
„ Nur eine Frage“, sagte Tengol und hielt ihm die Tür auf, „ es
geht euch doch nicht um das Geld, oder?“
„ Nicht im Geringsten“, versicherte der Patrizier, „ es ist
vielmehr der Reiz, Situationen zu kontrollieren, obgleich mir
die Spieler zu dumm und die Beträge zu mickrig waren. Bleibt
nur zu hoffen, dass wir schnell Einlass finden. In dieser Zeit
hätte ich ein ganzes Hurenhaus versorgen können.“
*
Mit einem lauten Knall stieß der Patrizier die Kajütentür
auf. Die Schlafenden waren nun wach und der Friede vorbei.
„ Was soll das? “, knurrte Willet. Vell versteckte sich unter
seinem Arm. Doch der Perückenmann kam an ihr Bett. „Morgen werde ich meinen Spaß mit dir haben, kleine Syress“, versprach er, „ und das Vergnügen wird dabei ganz auf meiner
Seite sein.“
„ Nur in euren Träumen“, fauchte sie müde, „ ich werde euch
die Perücke vom Kopf schlagen.“
„ Wir werden sehen“, lächelte die Schranze, „ also schlaf gut,
der Tag beginnt früh.“ .
*
Da war es schon wieder. Etwas tippte an ihre Schulter. Es
war hart, kalt und wollte sie nicht in Ruhe lassen. Als Vell
die Augen öffnete, sah sie zuerst den Spazierstock und dann
seinen bleichen Besitzer.
„Zeit
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