Toedliches Verlangen
1
Die Blitzlichter des Stroboskops hämmerten mit voller Kraft. Bastian kniff die Augen zusammen, ließ den Blick über die Tanzfläche schweifen und musterte die halb nackten Körper, die sich in knappen Röcken im Rhythmus des Hardcore-Technos wanden. Sein geübtes Auge schnappte die verschiedensten Spuren auf, das sanfte Leuchten weiblicher Energie, das in den dunklen Ecken pulsierte. Er kippte noch ein Glas Blue Label runter.
Der Whiskey rann ihm durch die Kehle wie Samt. Seine Laune war anderer Natur.
»Irgendwas entdeckt?« Rikar glitt ihm gegenüber in die Nische.
»Hast du denn was erwartet?« Er sah seinen Freund an und bemerkte den Glanz in Rikars hellen Augen. Das irisierende Leuchten konnte nur eines bedeuten. Sein Freund hatte seinen Hunger gestillt, sich mit einer willigen menschlichen Frau in einer dunklen Ecke des Clubs Erleichterung verschafft. Bastian war nicht überrascht. Die Frauen standen auf Drachenblut, und sein oberster Befehlshaber blieb nie lange allein.
Rikar griff nach seinem Bier und nahm einen langen Zug aus der Flasche. »Such dir eine aus und bring’s hinter dich, verdammte Scheiße.«
Wenn es nur so einfach wäre. In der Abgeschiedenheit ihres Hauptquartiers war er von seiner Entscheidung – und der Richtigkeit der Überlegung, die dahintersteckte – vollkommen überzeugt gewesen. Jetzt, eingehüllt vom Dröhnen der Bässe und dem Duft parfümierter Frauenkörper, fragte Bastian sich, was ihn da eigentlich geritten hatte. Es war nicht so, dass er keine Frau wollte. Verdammt, er genoss die Zweisamkeit mindestens genauso wie seine Waffenbrüder, aber der Gedanke, sich mit einer von ihnen zu paaren, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. »Ich habe noch Zeit.«
Sein Freund sah ihn belustigt an. »Du hast nicht mal mehr eine Woche.«
»Hör auf, Rikar.«
»Hey, dieser Wahnsinnsplan stammt von dir, nicht von mir.«
Wahnsinn. Das brachte es ziemlich genau auf den Punkt. Aber das spielte keine Rolle. Ihm waren die Hände gebunden. Der Krieg dauerte jetzt schon so lange an, dass Bastian aufgehört hatte, die Opfer zu zählen. Jahrhunderte gefallener Kameraden, Jahrhunderte der Jagd. Und des Gejagtwerdens. Es würde niemals aufhören. Ein sauberer Sieg für eine Seite war nicht mehr möglich. Jetzt, da nur noch eine Handvoll Kriegerdrachen am Leben war, blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als ihre Reihen wieder aufzustocken … und das bedeutete, die nächste Generation zu zeugen.
Die Vorstellung lag ihm wie ein Stein im Magen. Seine Sehnsucht nach einer Partnerin war ungefähr so groß wie die nach einem Kopfschuss, aber er musste mit gutem Beispiel vorangehen: sich als Erster binden, einen Sohn zeugen, seine Frau im Kindbett verlieren.
Bastian ließ das Eis in seinem Glas kreisen. Großer Gott. Er wusste noch nicht einmal, wie sie aussah, und doch trauerte er bereits um sie. Bedauerte schon jetzt, dass er dieses Leben nehmen würde. Es war kein Mord. Nicht im eigentlichen Sinne. Niemals würde er einer Frau etwas antun wollen, doch das änderte nichts an seiner Pflicht. Um seine Art zu retten, musste er sich fortpflanzen, und keine Frau überlebte die Geburt eines Drachenblütigen.
»Du denkst zu viel nach, Bas. Dem Drachenblut geht es gut.« Sein eisiger Blick glitt über die Szenerie, bevor er wieder zu ihm zurückkehrte. In seinen Augen erkannte Bastian beides; Tadel und Wahrheit. Genau wie er selbst wusste Rikar, dass es keinen anderen Weg gab. »Du solltest dich nähren. Das vertreibt die schlechte Laune.«
Zweifellos, doch der Vorschlag hinterließ einen schalen Geschmack in Bastians Mund. Er gab Hunger und Verlangen nur nach, wenn sie unerträglich wurden. Vielleicht war es töricht, aber trotz seiner Art gefiel es ihm nicht, sich zu nehmen, was ihm nicht gehörte. Keine Frau hatte es verdient, dass man sie benutzte und ihr Gedächtnis löschte. Zudem reichte ihm das niedrige Energielevel im Club ohnehin nicht. Als einer der Ältesten seiner Art brauchte er eine Frau, die in der Lage war, reine Kraft aus dem Meridian zu ziehen, um ihn zu nähren.
Elektrostatischer Strom hielt die Angehörigen des Drachenblutes am Leben – ein rein männliches Volk, geboren von menschlichen Frauen. Ohne den Energieaustausch würde se in Volk verhungern. Und der einzige Weg zur Quelle war die Nähe einer Frau. Eine Nähe, bei der sich Körper aneinanderrieben und Haut auf Haut traf. Nicht, dass sich jemals eine beschwert hätte. Nach mehr gebettelt? Immer. Nicht ein einziges
Weitere Kostenlose Bücher