Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
gleich da.« Ich lese mir die Tageskarte durch: Tomatencremesuppe, Gartensalat, den verkochten Brokkoli gibt es mit Kartoffelbrei und Leberkäse. Nichts Aufregendes. Dann gibt es immer noch das in der Schule berühmt-berüchtigte Wurst-Sandwich – ziemlich verlockend. Aber Seth wird mir nur die Salami stibitzen. Obwohl wir ziemlich spät dran sind, ist die Schlange immer noch sehr lang. Das ist gut. Es gibt mir Zeit, ein bisschen mehr zu mir zu kommen. Ich hüpfe ein wenig auf und ab, rolle meine Schultern, wackle mit den Armen und nerve die Menschen um mich herum ziemlich. Als ich an der Reihe bin und mir einen Salat, ein Knoblauchbrot und eine Flasche Wasser nehme, geht es mir schon wieder besser. Eigentlich fühle ich mich großartig! Ich gebe der Essensfrau eine Fünf-Dollar-Note und stopfe das Wechselgeld in meine Jeanstasche.
Als ich aus der Cafeteria komme, balanciere ich wie eine geübte Bedienung mein Tablett auf einer Hand. Dabei muss ich Jason Trent ausweichen, einem dieser Footballtypen, die mich an einen Yeti erinnern. Er hat sich genau in der Mitte des Ausgangs platziert. Keine Ahnung, warum er dort herumsteht, und ich bezweifle, dass er selber es weiß. Natürlich setzt er sich genau in dem Moment in Bewegung, als ich an ihm vorbeigehe. Er rempelt mich an und mir fällt fast das Tablett aus der Hand. Während ich das Tablett gerade noch ausbalanciere, kippt dieWasserflasche um. Vollgepumpt mit Vulkanenergie, schaffe ich es, das Tablett in der Waagerechten zu halten und die Flasche im Fallen aufzufangen. Jason schaut zu mir herunter und hat die Dreistigkeit, mir zuzuzwinkern. Was für ein Widerling! Ich lasse zischend Dampf ab, gehe schnell zu Reis und Seths Tisch, stelle mein Tablett ab und lasse mich auf den Stuhl fallen. Dabei setze ich mich auf einen Fuß, um ein bisschen größer zu sein.
Rei beugt sich zu mir rüber und spießt eine Kirschtomate aus meinem Salat auf – er weiß, dass ich sie nicht mag. »Arigato.«
»Gern geschehen. Nimm die hier auch noch.«
»Danke. Habe ich gerade beobachtet, wie dir Jason Trent zugezwinkert hat«? Rei klingt belustigt.
Nur ich bin ganz und gar nicht begeistert. »Ich weiß nicht. Hat er?« Ich zucke mit den Schultern. »Er muss wohl was im Auge gehabt haben.«
»Trent ist ein Idiot«, sagt Seth, als er mein Knoblauchbrot nimmt und ein großes Stück davon abbeißt, bevor ich ihn davon abhalten kann.
»Ich wollte das essen«, sage ich.
Seth streckt seine Zunge heraus und macht eine große Show daraus, die ganze Oberseite abzulecken, bevor er es mir wieder anbietet.
»Bitte schön.«
»Du bist ekelhaft.«
»Mmmm.« Er nimmt noch einen Bissen.
Rei verzichtet darauf, den Schiedsrichter zu spielen. Er durchwühlt stattdessen seinen Rucksack und zieht eine Orange undeinen leicht verschrumpelten Granny-Smith-Apfel hervor und legt sie auf den Tisch. »Ich habe ein bisschen mehr Obst dabei, wenn du auch was willst«, sagt er zu mir, als ob das etwas Neues sei. Dabei hat er jeden Tag Obst für mich dabei.
Ich strecke die Hand nach dem Apfel aus, aber Rei packt sie. Mist! Er zieht den Ärmel meines schwarzen Kapuzenpullis ein Stück nach oben. Dann misst er mit seinem Daumen den Bluterguss an meinem Handgelenk.
»Woher kommt das?«, fragt er beiläufig.
»Ich bin gestern Abend gegen den Geschirrspüler gestoßen.« Das stimmte wirklich. Wir starren uns so lange in die Augen, bis er mir glaubt. »Wenn du ein bisschen mehr Vitamin C essen würdest, hättest du nicht so schnell blaue Flecken«, sagt er. »Ich wünschte, dir würden Orangen schmecken.«
»Clementinen mag ich lieber. Die sind einfacher zu schälen.«
Rei sieht sich meine abgekauten Fingernägel an und rollt mit einem aufmunternden Lächeln den Apfel zu mir rüber. »Hast du zum Frühstück wenigstens einen Saft getrunken?«
Habe ich heute überhaupt etwas gefrühstückt? Meine Mum musste früh aufstehen, um zu einer Immobilienmesse zu fahren, also war alles ziemlich hektisch. Ich glaube, ich habe ein paar Froot Loops gegessen. Rei drückt mit seinen Fingern die Schale der Orange ein und süßer Zitrusgeruch füllt die Luft.
»Ich arbeite heute«, sagt Seth plötzlich, den Mund noch voller Pizza.
»Also kannst du nicht mit mir Laufen gehen?« Rei schält weiter die Orange und sieht nicht auf, aber ich weiß, wie enttäuscht er ist.
»Nee, ich brauche Benzingeld, und Remy hat mir angeboten,dass ich ein paar Stunden übernehmen kann.« Seth arbeitet an einigen Tagen in der Woche in Remys
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