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Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11

Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11

Titel: Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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    Ich mochte Clyde Nunley nicht, als ich ihm auf dem alten Friedhof zum
ersten Mal persönlich gegenüberstand. Rein äußerlich gab es nichts an ihm
auszusetzen: Er war angezogen, wie man sich in einem milden Winter im südlichen
Tennessee eben anzieht, und auch sehr passend für das, was wir vorhatten. Seine
alten Jeans, die Arbeitsstiefel, der unförmige Hut, das Flanellhemd und die Daunenweste
waren ein durchaus vernünftiges Outfit. Aber Dr. Nunley strahlte etwas so
Selbstgefälliges, Aalglattes aus, dass er mich bestimmt nur hierherbestellt
hatte, um mich lächerlich zu machen. Mit Sicherheit hielt er mich für eine
Betrügerin.
    Er gab mir
die Hand und baute sich direkt vor mir auf. Er schien bester Laune zu sein und
musterte mich und meinen Bruder, während wir Seite an Seite auf seine
Anweisungen warteten.
    Das Seminar,
das Dr. Clyde Nunley von der Anthropologischen Fakultät
am Bingham-College gab, hieß »Unvoreingenommenes Denken: Okkultismus im 21.
Jahrhundert«. Eigentlich hatte ich auf einer solchen Veranstaltung wenig zu
suchen, aber es war ein Job wie jeder andere.
    »Letzte
Woche hatten wir ein Medium eingeladen«, sagte er.
    »Zum Mittagessen?«,
fragte ich und erntete nur ein Stirnrunzeln.
    Ich warf
Tolliver einen verstohlenen Blick zu. Seine Augen waren zwei schmale Schlitze,
er schien sich zu amüsieren. Aber er ermahnte mich auch, höflich zu bleiben.
    Wenn dieses
Arschloch von Professor nicht gewesen wäre, hätte ich es kaum erwarten können.
Ich holte tief Luft und sah an Dr. Nunley vorbei auf die verwitterten
Grabsteine. Hier war ich goldrichtig.
    Nach
amerikanischen Maßstäben war es ein wirklich alter Friedhof. Die Bäume hatten
beinahe zwei Jahrhunderte Zeit gehabt zu wachsen. Einige waren bestimmt noch
Schösslinge gewesen, als die Bewohner von St. Margaret hier bereits zur letzten
Ruhe gebettet wurden. Jetzt waren sie groß und mächtig. Im Sommer war ihr
Schatten sicherlich ein Segen. Aber jetzt, im November, waren ihre Äste kahl,
und das Gras war gelb und von toten Blättern übersät. Der Himmel war von einem
dermaßen bleiernen Grau, dass einem das Herz schwer wurde.
    Normalerweise
wäre meine Stimmung in dieser Umgebung genauso gedämpft gewesen wie die der
anderen, hätte ich nicht so etwas wie eine Überraschung für sie parat gehabt.
Die noch aufrecht stehenden Grabsteine waren alle unterschiedlich, und darunter
warteten die Toten auf mich.
    Es hatte
fast zwei Wochen nicht geregnet, also trug ich Turnschuhe statt Stiefel. Wenn
ich sie auszog, würde ich noch besser Kontakt aufnehmen können, aber dann würde
ich auf die Studenten und den Professor noch exzentrischer wirken als ohnehin
schon. Außerdem war es ein wenig zu kalt, um barfuß zu gehen.
    Nunleys
Studenten waren gekommen, um meiner »Vorführung« beizuwohnen. Darum ging es
hier. Von der zwanzigköpfigen Gruppe waren zwei bereits etwas älter, eine
Studentin war sogar Anfang vierzig. Ich hätte wetten können, dass sie mit dem
Kombi gekommen war, der zwischen den anderen Fahrzeugen stand. Sie alle parkten
vor dem verfallenen Zaun, der den Kiesparkplatz vom Friedhofsrasen trennte. Die
Frau musterte mich mit einem offenen, neugierigen Gesichtsausdruck.
    Der andere
»ungewöhnliche« Student war ein Mann, den ich auf Anfang dreißig schätzte. Er
trug eine Cordhose und einen fliederfarbenen Pullover. Dem Dreißigjährigen
gehörte der funkelnde Colorado-Pick-up. Clyde Nunley
war bestimmt der Besitzer des alten Toyotas, und die vier anderen verbeulten
Kleinwagen mussten den übrigen Studenten gehören. Obwohl sich St. Margaret
streng genommen noch auf dem Campus befand, lag die alte Kirche ganz am Rande
des Universitätsgeländes, hinter dem kleinen Stadion, den Tennisplätzen und dem
Fußballplatz. So gesehen war es nicht verwunderlich, dass die meisten mit dem
Wagen gekommen waren, erst recht bei dem kühlen, ungemütlichen Wetter. Die
Studenten waren zwischen achtzehn und einundzwanzig, und mit einem Schlag wurde
mir klar, dass sie nur wenige Jahre jünger waren als ich. Sie trugen den
üblichen Einheitslook aus Jeans, Turnschuhen und Daunenanoraks - mehr oder
weniger das, was Tolliver und ich auch anhatten.
    Tollivers
Jacke war von Lands' End , sie war knallrot und innen blau gefüttert. Das
Rot passte gut zu seinen schwarzen Haaren, und die Jacke war warm genug, um
überall im Süden getragen werden zu können. Ich trug meinen hellblauen Anorak,
weil ich mich darin sicher und geborgen fühlte, außerdem war er

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