Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
bloß, barfuß hierherzukommen?«, frage ich. Rei und ich schauen beide auf Saya, die anfängt zu kichern und noch mehr zum Platzen verurteilte Seifenblasen in Richtung Wasserfall pustet.
Rei liegt auf der Seite und starrt in den Himmel, ein Arm stützt seinen Kopf, der andere ist um Sayas Taille gelegt. Auch ich lege mich hin und schließe meine Augen.
Das Leben ist schön. Das Sonnenlicht ist warm und die Brise kühl. Sayas seidiges, schwarzes Haar an meinen Fingern fühlt sich weich an. Sogar das eisige Sprühwasser an meinen Füßen und die Kälte, die langsam von dem steinigen Vorsprung unter uns meinen Rücken hinaufkriecht, tut gut. So gerne ich Astralreisen mag – manche Dinge sind mit Körper einfach schöner. Trotz meines Dates mit einer Dosensuppe heute Abend umarme ich diesen Moment und bin glücklich.
Mein kleines Nirvana wird von einem ohrenbetäubend lauten Gitarrensolo unterbrochen, das aus der Tasche von Reis Jeans erschallt. »Hältst du sie bitte mal?« Rei wartet, bis ich meinen Arm um Saya gelegt habe, dann schirmt er sein Handy gegen das Sonnenlicht ab, um zu sehen, wer anruft. »Hey.« Er rollt auf die Seite und formt mit seinem Mund lautlos das Wort »Seth« in meine Richtung. »Okay. Ich weiß nicht. Warte mal.« Er nimmt sein Handy vom Ohr und sieht mich hoffnungsvoll an. »Seth ist schon früher aus der Arbeit gekommen. Kannst du auf Saya aufpassen, damit wir noch schnell Laufen gehen können?«
»Nein!«, sagt Saya unerbittlich.
»Doch«, korrigiere ich sie.
»Danke!«, flüstert er mir zu und sein Lächeln wird von Adrenalin angeheizt. »Anna hat versprochen, auf Saya aufzupassen. Wir sind gerade am Wasserfall. Ich kann dich in zehn Minuten bei mir zu Hause treffen.«
Sobald er sein Handy eingesteckt hat, steht Rei vorsichtig auf, hebt Saya hoch und setzt sie ein Stück entfernt wieder ab – in sicherer Entfernung vom Wasserfall. Eine Hand hat er auf ihre Schulter gelegt, die andere streckt er mir entgegen, aber ich binschon halb aufgestanden. Na, was soll’s. Ich lasse ihm die Rolle als starker Mann. Er darf mich hochziehen.
»Komm, kleines Äffchen«, er schwingt Saya auf seine Schultern. »So bleiben deine Füße sauber.« Ich kenne den wahren Grund, warum er Saya auf seine Schultern hebt. Er ist in Eile und will nicht, dass sie auf dem Weg jeden Felsen und Käfer begutachtet. Mit der einen Hand hält er Sayas Knöchel fest, mit der anderen verdreht er eine meiner Locken.
»Arigato.«
Als wir zurückkommen, steht Seths verrostete Karre schon in Reis Einfahrt.
»Ich bin gleich wieder da«, ruft Rei Seth zu, und wir gehen zum Garten hinter dem Haus, um unsere dreckigen Füße abzuspritzen. Auch als Sayas Füße schon lange sauber sind, bleibt sie im Garten und spielt mit dem Wasserstrahl. Als sie mir endlich den Schlauch gibt, hat Rei sich schon umgezogen und im nächsten Moment sind Rei und Seth verschwunden.
Während die Jungs joggen, beschäftigen Saya und ich uns. Zuerst legen wir das grüne Karottenkraut unter einen Busch, damit eventuell vorbeihoppelnde hungrige Kaninchen etwas zu fressen haben. Dann macht Saya Rückwärtspurzelbäume, bis sie müde ist. Schließlich will sie, dass ich Räder schlage und Saltos mache. Noch eins und noch eins … bis mir von den vielen Umdrehungen schwindelig ist. Und danach spielen wir mit Barbies.
Puppen sind eins der wenigen Dinge, die ich nicht daran mag, mit Saya zu spielen. Ich bin mit Rei aufgewachsen und war nie ein großer Fan von Puppen. Meine Mutter hat das akzeptiert,aber meine Großmutter wollte mir zu einem meiner Geburtstage unbedingt eine Puppe kaufen. Rei und ich fanden, dass sie gruselig aussah. Also spielten wir Beerdigung und begruben sie eines Tages im Wald.
Saya bringt vier teilweise angezogene Barbies zur Veranda und verteilt sie: drei für sie und eine für mich. Meine Barbie hat einen grauenhaften Bad-Hair-Day. Ich verbringe eine Ewigkeit damit, mit Sayas Puppen über Anziehsachen und Make-up zu sprechen. Ein wichtiges Thema ist auch, wer mit Ken zum Abschlussball gehen darf. Ich bin erleichtert, als Rei und Seth um die Ecke biegen. Sie haben mit dem Joggen aufgehört und gehen, um sich abzukühlen. Beide haben die T-Shirts ausgezogen und benutzen sie als Schweißtuch. Seth wischt sich auch noch seine Achseln ab.
Ich fange an zu lachen. Manchmal bringt Seth mich einfach zum Lachen. Ich schaue, ob Rei das auch lustig findet, aber er schlenkert nur mit den Armen, das T-Shirt hält er in der Hand, und als ich
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