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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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überspielen, damit das Zittern in seiner Stimme nicht auffiel. Auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen, verborgen zwischen den leeren Flaschen, den schmutzigen Gläsern, dem Aschenbecher und den zerknüllten Marlboro-Schachteln, stand ein Miniatur-Kassettenrecorder, den Kelso dort hingestellt hatte, als er glaubte, daß Rapawa nicht hinschaute. Der alte Mann nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und betrachtete dann dankbar die Glutspitze. Er warf das Streichholzheftchen auf den Boden. »Sie wissen über Blischnjaja Bescheid?« sagte er endlich, nachdem er sich wieder in seinem Sessel zurückgelehnt hatte. »Dann wissen Sie auch, was ich getan habe.«
    Dreißig Sekunden nach dem Entgegennehmen des Anrufs hatte der junge Rapawa an Berijas Tür geklopft.
    Lawrenti Pawlowitsch Berija, Mitglied des Politbüros, angetan mit einem losen roten Seidenkimono, aus dem der Bauch wie ein großer weißer Sack hervorquoll, nannte Rapawa auf mingrelisch eine Fotze und versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust, der ihn bis in den Flur zurücktaumeln ließ. Dann drängte er sich an ihm vorbei und tappte in Richtung Treppe davon, wobei seine schweißigen Füße feuchte Abdrücke auf dem Parkett hinterließen.
    Durch die offene Tür konnte Rapawa ins Schlafzimmer hineinsehen – das große Holzbett, eine schwere Messinglampe in Form eines Drachens, das rote Laken, die weißen Gliedmaßen des Mädchens, ausgestreckt wie die eines Opfertiers. Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber dunkel und blicklos. Sie unternahm keinen Versuch, sich zu bedecken. Auf dem Nachttisch standen ein Wasserkrug und mehrere Medizinflaschen. Etliche große weiße Tabletten waren auf den blaßgelben Aubusson-Teppich heruntergefallen.
    Sonst konnte er sich an nichts erinnern, auch nicht daran, wie lange er dort gestanden hatte, bis Berija keuchend die Treppe wieder heraufkam, ganz aufgebracht von seinem Gespräch mit Malenkow. Er warf dem Mädchen die Kleider zu, schrie es an, es solle verschwinden, und zwar plötzlich, und dann befahl er Rapawa, den Wagen vorzufahren.
    Rapawa fragte ihn, wen er sonst noch dabeihaben wollte. (Er dachte an Nadaraja, den Kommandanten der Leibwache, der normalerweise den Chef überallhin begleitete. Und vielleicht Sarsikow, der zu diesem Zeitpunkt sinnlos betrunken seinen Wodkarausch im Wachhaus neben dem Hauptgebäude ausschlief.) Woraufhin Berija, der Rapawa gerade den Rücken zukehrte und damit beschäftigt war, seinen Schlafrock abzuwerfen, einen Moment innehielt und einen Blick über die fleischige Schulter warf – überlegte, überlegte… Man konnte sehen, wie die kleinen Augen hinter dem randlosen Kneifer flackerten.
    »Niemand«, sagte er schließlich. »Nur dich.« Der Wagen stammte aus Amerika – ein Packard, zwölf Zylinder, dunkelgrüne Karosserie, Trittbretter von einem halben Meter Breite – ein Prachtexemplar. Rapawa holte ihn aus der Garage und setzte damit auf der Wspolny-Straße zurück, bis er sich direkt vor dem Haupteingang befand. Er ließ den Motor laufen, damit die Heizung auf Touren kam, sprang heraus und nahm neben der hinteren Beifahrertür die für das NKWD übliche Haltung ein, linke Hand auf der Hüfte, Mantel und Jacke leicht auseinandergezogen, Schulterhalfter freigelegt, rechte Hand am Griffstück der Makarow-Pistole, die Straße in beiden Richtungen überprüfend. Beso Dumbadse, gleichfalls ein Mingrelier, kam um die Ecke gerannt, um zu sehen, was los war, und zwar gerade in dem Moment, als der Chef aus dem Haus kam und auf den Gehsteig heraustrat.
    »Was hatte er an?«
    »Woher zum Teufel soll ich wissen, was er anhatte, mein Junge?« sagte der alte Mann gereizt. »Was zum Teufel spielt das auch für eine Rolle, was er anhatte?«
    Aber jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel es ihm wieder ein: Der Chef trug Grau – einen grauen Mantel, einen grauen Anzug, einen grauen Pullover, keine Krawatte –, und mit seinem Kneifer, seinen abfallenden Schultern und seinem großen, runden Schädel sah er deshalb nichts ähnlicher als einer Eule – einer alten, bösartigen grauen Eule. Rapawa öffnete die Tür, Berija stieg hinten ein, und Dumbadse, der ungefähr zehn Meter entfernt war, machte mit den Händen eine kleine Geste – Und was zum Teufel soll ich tun? –, woraufhin Rapawa die Achseln zuckte – woher zum Teufel sollte er das wissen? Er rannte um den Wagen herum zum Fahrersitz, glitt hinter das Lenkrad, schaltete in den ersten Gang, und die Fahrt ging los.
    Er war die fünfundzwanzig Kilometer

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