Aurum & Argentum (German Edition)
bei voll entwickelten Greifen konnte sie aber beinahe zweieinhalb Meter betragen. Da war es wohl kein Wunder, dass man sie stets als imposante und Furcht einflößende geflügelte Mischgeschöpfe bezeichnete. Angeblich konnten sie so stark werden wie hundert Adler und so mächtig wie acht Löwen.
„ Wir sollten uns klammheimlich aus dem Staub machen“, raunte Calep, während sich der Greif noch immer verbeugte, „sonst überlegt er es sich doch noch anders und frisst uns alle drei!“
Flux nickte, denn ihm kam die Sache ebenfalls sehr merkwürdig vor. „Komm!“, hauchte er daher Leon zu, der immer noch über den Fremden staunte. Er hatte noch niemals zuvor einen Greif zu Gesicht bekommen und war hin und her gerissen zwischen Faszination und nacktem Entsetzen. Der Zweibeiner in ihm hätte zu gerne noch mehr über dieses beeindruckende Geschöpf erfahren, während das Pferd am liebsten mit ihm durchgegangen wäre.
Vorsichtig und bedächtig entfernten sie sich, während der Löwenadler zurückblieb.
„ Das hätten wir noch einmal heil überstanden“, freute dies Calep ungemein, „aber was zum Henker sind nun wieder diese Hominiden, von denen der Geflügelte sprach?“
„ Zweibeiner, mein junger Freund“, wie angewurzelt blieben die drei stehen, während der Greif sich erhob und zu ihnen schritt. Offenbar hatte er zwar nicht die sprichwörtlichen Adleraugen, dafür aber ein sehr gutes Gehör. „In Wissenschaftskreisen verwendet man dieses Fachwort. Es handelt sich dabei um menschenartige Lebewesen. Sicher kennt ihr die Menschen aus alten Erzählungen und Sagen. Man erzählt sich, dass viele von ihnen einst in unserer Welt lebten und dass die Zweibeiner von >Aurum & Argentum< gemeinsame Vorfahren mit ihnen teilen. Hexen und Zauberer sind eindeutig Menschen mit magischen Fähigkeiten. Aber auch Elfen, Feen, Riesen und Zwerge sollen ihre Wurzeln mit ihnen teilen, vielleicht sogar dunkle Wesen wie grüne Kobolde, Orks und Trolle. Es gibt diverse Hinweise, die dies belegen, am Nennenswertesten ist wohl die Verbindung dieser Welt mit der der Menschen, die sie schlicht ‚Erde’ nennen.“
Gebannt lauschten ihm seine Zuhörer, teils beeindruckt von seinem Wissen, teils aber auch ein wenig zweifelnd. Menschen hatten nicht den besten Ruf in >Aurum & Argentum<, sie galten als schwächlich und gierig. Man erzählte sich diverse Geschichten über sie, auch dass sie sich sehr leicht ihren Emotionen hingaben und immer nach Anerkennung und Reichtum strebten. Doch dies traf natürlich auch genauso auf viele Bewohner von >Aurum & Argentum< zu, nur hätten diese es natürlich nie öffentlich zugegeben.
„ Man vermutet, dass die Ahnen der heutigen Zweibeiner von >Aurum & Argentum< und die der Erde zwischen den beiden Welten wechselten, wie es ihnen beliebte, manche Menschen und die Tiere, die sie mitbrachten, blieben auch für immer hier und genauso soll es Wesen aus dieser Welt gegeben haben, die ihren Lebtag auf der Erde verbrachten, es liegt im Bereich des Möglichen, dass Nachkommen von ihnen noch immer dort drüben leben.“ Während er erzählte, machte er einen ganz verschwörerischen Blick, als würde er ihnen ein großes Geheimnis anvertrauen. „Viele Menschenmänner kamen hier her, um nach Gold zu suchen und als gemachte Leute wieder nach Hause zurückzukehren. Als der Dunkelelf im dritten Zeitalter den höchsten Thron bestieg, hetzte er den Glücksrittern seine dienstbar gemachten Dämonen auf den Hals. Einigen der Gejagten gelang es jedoch, nach Hause zurückzukehren. Wahrscheinlich erzählten sie von den Gefahren und daher ging der Völkerstrom immer weiter zurück. Unsere Gelehrten vermuten, dass die Menschen inzwischen unsere Welt vollkommen vergessen haben. Daher dürfte auch das Tor zu uns von ihrer Seite aus nur noch sehr schwer zu finden sein. Seit der Herrschaft des Dunkelelfen sind jedenfalls nur noch wenige eingereiste Menschen in den historischen Schriften verzeichnet. Bisweilen wird daher sogar an hiesigen Schulen gelehrt, dass Menschen nicht mehr in unserer Welt existieren. Sie sind somit ins Reich der Legenden und Mythen verdrängt worden.“
Flux nickte unwillkürlich, auch seine Lehrerin hatte berichtet, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass Menschen noch immer hier lebten.
„ Und was hat das nun mit meiner Frage zu tun?“, konnte Calep es sich trotz allen Interesses nicht verkneifen nachzuhaken.
„ Eine gute Frage, junger Freund“, der Greif klang dabei sehr wohlwollend, „der
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