Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
Konfekt,
daß einem recht das Herz im Leibe lachte. Zwischen den beiden Fenstern hing ein ungeheurer Spiegel, der vom Boden bis zur
Decke reichte.
Ich muß sagen, das gefiel mir recht wohl. Ich streckte mich ein paarmal und ging mit langen Schritten vornehm im Zimmer auf
und ab. Dann konnt ich aber doch nicht widerstehen, mich einmal in einem so großen Spiegel zu besehen. Das ist wahr, die neuen
Kleider vom Herrn Leonhard standen mir recht schön, auch hatte ich in Italien so ein gewisses feuriges Auge bekommen, sonst
aber war ich gerade noch so ein Milchbart, wie ich zu Hause gewesen war, nur auf der Oberlippe zeigten sich erst ein paar
Flaumfedern.
Die alte Frau mahlte indes in einem fort mit ihrem zahnlosen Munde, daß es nicht anders aussah, als wenn sie an der langen,
herunterhängenden Nasenspitze kaute. Dann nötigte sie mich zum Sitzen, streichelte mir mit ihren dürren Fingern das Kinn,
nannte mich poverino! wobei sie mich aus den roten Augen so schelmisch ansah, daß sich ihr der eine Mundwinkel bis an die
halbe Wange in die Höhe zog, und ging endlich mit einem tiefen Knicks zur Tür hinaus.
Ich aber setzte mich zu dem gedeckten Tisch, während eine junge, hübsche Magd hereintrat, um mich bei der Tafel zu bedienen.
Ich knüpfte allerlei galanten Diskurs mit ihr an, sie verstand mich aber nicht, sondern sah mich immer ganz kurios von der
Seite an, weil mirs so gut schmeckte, denn das Essen war sehr delikat. Als ich satt war und wieder aufstand, nahm die Magd
ein Licht von der Tafel und führte mich in ein anderes Zimmer. Da war ein Sofa, ein kleiner Spiegel und ein prächtiges Bett
mit grünseidenen Vorhängen. Ich frug sie mit Zeichen, ob ich mich da hineinlegen sollte? Sie nickte zwar: «Ja», aber das war
denn doch nicht möglich, denn sie blieb wie angenagelt bei mir stehen. Endlich holte ich mir noch ein großes Glas Wein aus
der Tafelstube herein und rief ihr zu: «felicissima notte!» denn so viel hatte ich schon Italienisch gelernt. Aber wie ich
das Glas so auf einmal ausstürze, bricht sie plötzlich in ein verhaltenes Kichern aus, wird über und über rot, geht in die
Tafelstube und macht die Tür hinter sich zu. Was ist da zu lachen? dachte ich verwundert, ich glaube, die Leute in Italien
sind alle verrückt.
Ich hatte nun immer nur Angst vor dem Postillon, daß der gleich wieder zu blasen anfangen würde. Ich horchte am Fenster, aber
es war alles still draußen. Laß ihn blasen! dachte ich, zog mich aus und legte mich in das prächtige Bett. Das war nicht anders,
als wenn man in Milch und Honig schwämme! Vor den Fenstern rauschte die alte Linde im Hofe, zuweilen fuhr noch eine Dohle
plötzlich vom Dache auf, bis ich endlich voller Vergnügen einschlief.
Sechstes Kapitel
Als ich wieder erwachte, spielten schon die ersten Morgenstrahlen an den grünen Vorhängen über mir. Ich konnte mich gar nicht
besinnen, wo ich eigentlich wäre. Es kam mir vor, als führe ich noch immer fort im Wagen, und es hätte mir von einem Schlosse
im Mondschein geträumt und von einer alten Hexe und ihrem blassen Töchterlein.
Ich sprang endlich rasch aus dem Bette, kleidete mich an und sah mich dabei nach allen Seiten in dem Zimmer um. Da bemerkte
ich eine kleine Tapetentür, die ich gestern gar nicht gesehen hatte. Sie war nur angelehnt, ich öffnete sie und erblickte
ein kleines, nettes Stübchen, das in der Morgendämmerung recht heimlich aussah. Über einem Stuhl waren Frauenkleider unordentlich
hingeworfen, auf einem Bettchen daneben lag das Mädchen, das mir gestern abend bei der Tafel aufgewartet hatte. Sie schlief
noch ganz ruhig und hatte den Kopf auf den weißen bloßen Arm gelegt, über den ihre schwarzen Locken herabfielen. Wenn die
wüßte, daß die Tür offen war! sagte ich zu mir selbst und ging in mein Schlafzimmer zurück, während ich hinter mir wieder
schloß und verriegelte, damit das Mädchen nicht erschrecken und sich schämen sollte, wenn sie erwachte.
Draußen ließ sich noch kein Laut vernehmen. Nur ein früh erwachtes Waldvöglein saß vor meinem Fenster auf einem Strauch, der
aus der Mauer herauswuchs, und sang schon sein Morgenlied. «Nein», sagte ich, «du sollst mich nicht beschämen und allein so
früh und fleißig Gott loben!» – Ich nahm schnell meine Geige, die ich gestern auf das Tischchen gelegt hatte, und ging hinaus.
Im Schlosse war noch alles totenstill, und es dauerte lange, ehe ich mich aus den dunklen
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