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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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ich aus ihren Zeichen und Gestikulationen zusammenbringen konnte – hatte bemerkt, daß
     der Herr Guido, als er gestern abends auf dem Balkon sang, auf einmal laut aufschrie und dann geschwind zu dem andern Herrn
     in das Zimmer zurückstürzte. Als sie hernach in der Nacht einmal aufwachte, hörte sie draußen Pferdegetrappel. Sie guckte
     durch das kleine Kammerfenster und sah den buckligen Signor, der gestern so viel mit mir gesprochen hatte, auf einem Schimmel
     im Mondschein quer übers Feld galoppieren, daß er immer ellenhoch überm Sattel in die Höhe flog und die Magd sich bekreuzte,
     weil es aussah wie ein Gespenst, das auf einem dreibeinigen Pferde reitet. – Da wußt ich nun gar nicht, was ich machen sollte.
    Unterdes aber stand unser Wagen schon lange vor der Tür angespannt, und der Postillon stieß ungeduldig ins Horn, daß er hätte
     bersten mögen, denn er mußte zu bestimmter Stunde auf der nächsten Station sein, da alles durch Laufzettel bis auf die Minute
     vorausbestellt war. Ich rannte noch einmal um das ganze Haus herum und rief die Maler, niemand gab Antwort, die Leute aus
     dem Hause liefen zusammen und gafften mich an, der Postillon fluchte, die Pferde schnaubten, ich, ganz verblüfft, springe
     endlich geschwind in den Wagen hinein, der Hausknecht schlägt die Tür hinter mir zu, der Postillon knallt, und so gings mit
     mir fort in die weite Welt hinein.

Fünftes Kapitel
    Wir fuhren nun über Berg und Tal Tag und Nacht immerfort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu besinnen, denn wo wir hinkamen,
     standen die Pferde angeschirrt, ich konnte mit den Leuten nicht sprechen, mein Demonstrieren half also nichts; oft, wenn ich
     im Wirtshause eben beim besten Essen war, blies der Postillon, ich mußte Messer und Gabel wegwerfen und wieder in den Wagen
     springen und wußte doch eigentlich gar nicht, wohin und weswegen ich just mit so ausnehmender Geschwindigkeit fortreisen sollte.
    Sonst war die Lebensart gar nicht so übel. Ich legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine, bald in die andere Ecke
     des Wagens, und lernte Menschen und Länder kennen, und wenn wir durch Städte fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagenfenster
     heraus und dankte den Leuten, die höflich vor mir den Hut abnahmen, oder ich grüßte die Mädchen an den Fenstern wie ein alter
     Bekannter, die sich dann immer sehr verwunderten und mir noch lange neugierig nachguckten.
    Aber zuletzt erschrak ich sehr. Ich hatte das Geld in dem gefundenen Beutel niemals gezählt, den Postmeistern und Gastwirten
     mußte ich überall viel bezahlen, und ehe ich michs versah, war der Beutel leer. Anfangs nahm ich mir vor, sobald wir durch
     einen einsamen Wald führen, schnell aus dem Wagen zu springen und zu entlaufen. Dann aber tat es mir wieder leid, nun den
     schönen Wagen so allein zu lassen, mit dem ich sonst wohl noch bis ans Ende der Welt fortgefahren wäre.
    Nun saß ich eben voller Gedanken und wußte nicht aus noch ein, als es auf einmal seitwärts von der Landstraße abging. Ich
     schrie zum Wagen heraus auf den Postillon: wohin er denn fahre? Aber ich mochte sprechen, was ich wollte, der Kerl sagte immer
     bloß: «Si, Si, Signore!» und fuhr immer über Stock und Stein, daß ich aus einer Ecke des Wagens in die andere flog.
    Das wollte mir gar nicht in den Sinn, denn die Landstraße lief gerade durch eine prächtige Landschaft auf die untergehende
     Sonne zu, wohl wie in ein Meer von Glanz und Funken. Von der Seite aber, wohin wir uns gewendet hatten, lag ein wüstes Gebirge
     vor uns mit grauen Schluchten, zwischen denen es schon lange dunkel geworden war. Je weiter wir fuhren, je wilder und einsamer
     wurde die Gegend. Endlich kam der Mond hinter den Wolken hervor und schien auf einmal so hell zwischen die Bäume und Felsen
     herein, daß es ordentlich grauslich anzusehen war. Wir konnten nur langsam fahren in den engen, steinigen Schluchten, und
     das einförmige, ewige Gerassel des Wagens schallte an den Steinwänden weit in die stille Nacht, als führen wir in ein großes
     Grabgewölbe hinein. Nur von vielen Wasserfällen, die man aber nicht sehen konnte, war ein unaufhörliches Rauschen tiefer im
     Walde, und die Käuzchen riefen aus der Ferne immerfort: «Komm mit, komm mit!» – Dabei kam es mir vor, als wenn der Kutscher,
     der, wie ich jetzt erst sah, gar keine Uniform hatte und kein Postillon war, sich einigemal unruhig umsähe und schneller zu
     fahren anfing, und wie ich mich recht zum Wagen

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