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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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Deutschland gewesen und dachte wunder
     wie gut er Deutsch verstünde. Er setzte sich zu mir und fragte bald das, bald jenes, während er immerfort Tabak schnupfte:
     ob ich der Servitore sei? wenn wir arriware? ob wir nach Roma kehn? Aber das wußte ich alles selber nicht und konnte auch
     sein Kauderwelsch gar nicht verstehn. «Parlez-vous français?» sagte ich endlich in meiner Angst zu ihm. Er schüttelte mit
     dem großen Kopfe, und das war mir sehr lieb, denn ich konnte ja auch nicht Französisch. Aber das half alles nichts. Er hatte
     mich einmal recht aufs Korn genommen, er frug und frug immer wieder; je mehr wir parlierten, je weniger verstand einer den
     andern, zuletzt wurden wir beide schon hitzig, so daß mirs manchmal vorkam, als wollte der Signor mit seiner Adlernase nach
     mir hacken, bis endlich die Mägde, die den babylonischen Diskurs mit angehört hatten, uns beide tüchtig auslachten. Ich aber
     legte schnell Messer und Gabel hin und ging vor die Haustür hinaus. Denn mir war in dem fremden Lande nicht anders, als wäre
     ich mit meiner deutschen Zunge tausend Klafter tief ins Meer versenkt, und allerlei unbekanntes Gewürm ringelte sich und rauschte
     da in der Einsamkeit um mich her und glotzte und schnappte nach mir.
    Draußen war eine warme Sommernacht, so recht um gassaten zu gehn. Weit von den Weinbergen herüber hörte man noch zuweilen
     einen Winzer singen, dazwischen blitzte es manchmal von ferne, und die ganze Gegend zitterte und säuselte im Mondschein. Ja
     manchmal kam es mir vor, als schlüpfte eine lange dunkle Gestalt hinter den Haselnußsträuchern vor dem Hause vorüber und guckte
     durch die Zweige, dann war alles auf einmal wieder still. – Da trat der Herr Guido eben auf den Balkon des Wirtshauses heraus.
     Er bemerkte mich nicht und spielte sehr geschickt auf einer Zither, die er im Hause gefunden haben mußte, und sang dann dazu
     wie eine Nachtigall:
    Schweigt der Menschen laute Lust,
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.
    Ich weiß nicht, ob er noch mehr gesungen haben mag, denn ich hatte mich auf die Bank vor der Haustür hingestreckt und schlief
     in der lauen Nacht vor großer Ermüdung fest ein.
    Es mochten wohl ein paar Stunden ins Land gegangen sein, als mich ein Posthorn aufweckte, das lange Zeit lustig in meine Träume
     hereinblies, ehe ich mich völlig besinnen konnte. Ich sprang endlich auf, der Tag dämmerte schon an den Bergen, und die Morgenkühle
     rieselte mir durch alle Glieder. Da fiel mir erst ein, daß wir ja um diese Zeit schon wieder weit fort sein wollten. Aha,
     dachte ich, heut ist einmal das Wecken und Auslachen an mir. Wie wird der Herr Guido mit dem verschlafenen Lockenkopfe herausfahren,
     wenn er mich draußen hört! So ging ich in den kleinen Garten am Hause dicht unter die Fenster, wo meine Herren wohnten, dehnte
     mich noch einmal recht ins Morgenrot hinein und sang fröhlichen Mutes:
    Wenn der Hoppevogel schreit,
Ist der Tag nicht mehr weit,
Wenn die Sonne sich auftut,
Schmeckt der Schlaf noch so gut!
    Das Fenster war offen, aber es blieb alles still oben, nur der Nachtwind ging noch durch die Weinranken, die sich bis in das
     Fenster hineinstreckten. – Nun, was soll denn das wieder bedeuten? rief ich voll Erstaunen aus und lief in das Haus und durch
     die stillen Gänge nach der Stube zu. Aber da gab es mir einen rechten Stich ins Herz. Denn wie ich die Tür aufreiße, ist alles
     leer, darin kein Frack, kein Hut, kein Stiefel. – Nur die Zither, auf der Herr Guido gestern gespielt hatte, hing an der Wand,
     auf dem Tische mitten in der Stube lag ein schöner, voller Geldbeutel, worauf ein Zettel geklebt war. Ich hielt ihn näher
     ans Fenster und traute meinen Augen kaum, es stand wahrhaftig mit großen Buchstaben darauf: Für den Herrn Einnehmer!
    Was mir aber das alles nütze, wenn ich meine lieben lustigen Herren nicht wiederfand? Ich schob den Beutel in meine tiefe
     Rocktasche, das plumpte wie in einen tiefen Brunnen, daß es mich ordentlich hintenüber zog. Darm rannte ich hinaus, machte
     einen großen Lärm und weckte alle Knechte und Mägde im Hause. Die wußten gar nicht, was ich wollte, und meinten, ich wäre
     verrückt geworden. Dann aber verwunderten sie sich nicht wenig, als sie oben das leere Nest sahen. Niemand wußte etwas von
     meinen Herren. Nur die eine Magd – wie

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