Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
ließ ich mir gern gefallen und wanderte nun mit dem Maler durch die leeren Straßen, wo nur
hin und wieder erst einige Fensterladen aufgemacht wurden und bald ein paar weiße Arme, bald ein verschlafenes Gesichtchen
in die frische Morgenluft hinausguckte.
Er führte mich lange hin und her durch eine Menge konfuser, enger und dunkler Gassen, bis wir endlich in ein altes, verräuchertes
Haus hineinhuschten. Dort stiegen wir eine finstre Treppe hinauf, dann wieder eine, als wenn wir in den Himmel hineinsteigen
wollten. Wir standen nun unter dem Dache vor einer Tür still, und der Maler fing an, in allen Taschen, vorn und hinten, mit
großer Eilfertigkeit zu suchen. Aber er hatte heute früh vergessen zuzuschließen und den Schlüssel in der Stube gelassen.
Denn er war, wie er mir unterwegs erzählte, noch vor Tagesanbruch vor die Stadt hinausgegangen, um die Gegend bei Sonnenaufgang
zu betrachten. Er schüttelte nur mit dem Kopfe und stieß die Tür mit dem Fuße auf.
Das war eine lange, lange, große Stube, daß man darin hätte tanzen können, wenn nur nicht auf dem Fußboden alles vollgelegen
hätte. Aber da lagen Stiefel, Papiere, Kleider, umgeworfene Farbentöpfe, alles durcheinander; in der Mitte der Stube standen
große Gerüste, wie man zum Birnenabnehmen braucht, ringsum an der Wand waren große Bilder angelehnt. Auf einem langen, hölzernen
Tische war eine Schüssel, worauf neben einem Farbenkleckse Brot und Butter lag. Eine Flasche Wein stand daneben.
«Nun eßt und trinkt erst, Landsmann!» rief mir der Maler zu. – Ich wollte mir auch sogleich ein paar Butterschnitten schmieren,
aber da war wieder kein Messer da. Wir mußten erst lange in den Papieren auf dem Tische herumrascheln, ehe wir es unter einem
großen Pakete endlich fanden. Darauf riß der Maler das Fenster auf, daß die frische Morgenluft fröhlich das ganze Zimmer durchdrang.
Das war eine herrliche Aussicht weit über die Stadt weg in die Berge hinein, wo die Morgensonne lustig die weißen Landhäuser
und Weingärten beschien. – «Vivat unser kühlgrünes Deutschland da hinter den Bergen!» rief der Maler aus und trank dazu aus
der Weinflasche, die er mir dann hinreichte. Ich tat ihm höflich Bescheid und grüßte in meinem Herzen die schöne Heimat in
der Ferne noch viel tausendmal.
Der Maler aber hatte unterdes das hölzerne Gerüst, worauf ein sehr großes Papier ausgespannt war, näher an das Fenster herangerückt.
Auf dem Papiere war bloß mit großen schwarzen Strichen eine alte Hütte gar künstlich abgezeichnet. Darin saß die Heilige Jungfrau
mit einem überaus schönen, freudigen und doch recht wehmütigen Gesichte. Zu ihren Füßen auf einem Nestlein von Stroh lag das
Jesuskind, sehr freundlich, aber mit großen, ernsthaften Augen. Draußen auf der Schwelle der offenen Hütte aber knieten zwei
Hirtenknaben mit Stab und Tasche. – «Siehst du», sagte der Maler, «dem einen Hirtenknaben da will ich deinen Kopf aufsetzen,
so kommt dein Gesicht doch auch etwas unter die Leute, und wills Gott, sollen sie sich daran noch erfreuen, wenn wir beide
schon lange begraben sind und selbst so still und fröhlich vor der heiligen Mutter und ihrem Sohne knien, wie die glücklichen
Jungen hier.» – Darauf ergriff er einen alten Stuhl, von dem ihm aber, da er ihn aufheben wollte, die halbe Lehne in der Hand
blieb. Er paßte ihn geschwind wieder zusammen, schob ihn vor das Gerüst hin, und ich mußte mich nun daraufsetzen und mein
Gesicht etwas von der Seite nach dem Maler zu wenden. So saß ich ein paar Minuten ganz still, ohne mich zu rühren. Aber ich
weiß nicht, zuletzt konnte ichs gar nicht recht aushalten, bald juckte michs da, bald juckte michs dort. Auch hing mir gerade
gegenüber ein zerbrochener halber Spiegel, da mußt ich immerfort hineinsehen und machte, wenn er eben malte, aus Langeweile
allerlei Gesichter und Grimassen. Der Maler, der es bemerkte, lachte endlich laut auf und winkte mir mit der Hand, daß ich
wieder aufstehen sollte. Mein Gesicht auf dem Hirten war auch schon fertig und sah so klar aus, daß ich mir ordentlich selber
gefiel.
Er zeichnete nun in der frischen Morgenkühle immer fleißig fort, während er ein Liedchen dazu sang und zuweilen durch das
offene Fenster in die prächtige Gegend hinausblickte. Ich aber schnitt mir unterdes noch eine Butterstolle und ging damit
im Zimmer auf und ab und besah mir die Bilder, die an der Wand aufgestellt
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