Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
konnte. Aber da hatten sie unterdes Tür und Fenster fest verschlossen.
Ich klopfte ganz bescheiden an, horchte und klopfte wieder. Da war es nicht anders, als wenn es drinnen leise flüsterte und
kicherte, ja einmal kam es mir vor, als wenn zwei helle Augen zwischen den Jalousien im Mondschein hervorfunkelten. Dann war
auf einmal wieder alles still.
Sie weiß nur nicht, daß ich es bin, dachte ich, zog die Geige, die ich allzeit bei mir trage, hervor, spazierte damit auf
dem Gange vor dem Hause auf und nieder und spielte und sang das Lied von der schönen Frau und spielte voll Vergnügen alle
meine Lieder durch, die ich damals in den schönen Sommernächten im Schloßgarten oder auf der Bank vor dem Zollhause gespielt
hatte, daß es weit bis in die Fenster des Schlosses hinüberklang. – Aber es half alles nichts, es rührte und regte sich niemand
im ganzen Hause. Da steckte ich endlich meine Geige traurig ein und legte mich auf die Schwelle vor der Haustüre hin, denn
ich war sehr müde von dem langen Marsche. Die Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Hause dufteten lieblich, eine Wasserkunst
weiter unten im Garten plätscherte immerfort dazwischen. Mir träumte von himmelblauen Blumen, von schönen, dunkelgrünen, einsamen
Gründen, wo Quellen rauschten und Bächlein gingen und bunte Vögel wunderbar sangen, bis ich endlich fest einschlief.
Als ich aufwachte, rieselte mir die Morgenluft durch alle Glieder. Die Vögel waren schon wach und zwitscherten auf den Bäumen
um mich herum, als ob sie mich für 'n Narren haben wollten. Ich sprang rasch auf und sah mich nach allen Seiten um. Die Wasserkunst
im Garten rauschte noch immerfort, aber in dem Hause war kein Laut zu vernehmen. Ich guckte durch die grünen Jalousien in
das eine Zimmer hinein. Da war ein Sofa und ein großer runder Tisch mit grauer Leinwand verhangen, die Stühle standen alle
in großer Ordnung und unverrückt an den Wänden herum; von außen aber waren die Jalousien an allen Fenstern heruntergelassen,
als wäre das ganze Haus schon seit vielen Jahren unbewohnt. – Da überfiel mich ein ordentliches Grausen vor dem einsamen Hause
und Garten und vor der gestrigen weißen Gestalt. Ich lief, ohne mich weiter umzusehen, durch die stillen Lauben und Gänge
und kletterte geschwind wieder an dem Gartentor hinauf. Aber da blieb ich wie verzaubert sitzen, als ich auf einmal von dem
hohen Gitterwerk in die prächtige Stadt hinunter sah. Da blitzte und funkelte die Morgensonne weit über die Dächer und in
die langen, stillen Straßen hinein, daß ich laut aufjauchzen mußte und voller Freude auf die Straße hinuntersprang.
Aber wohin sollt ich mich wenden in der großen, fremden Stadt? Auch ging mir die konfuse Nacht und das welsche Lied der schönen
gnädigen Frau von gestern noch immer im Kopfe hin und her. Ich setzte mich endlich auf den steinernen Springbrunnen, der mitten
auf dem einsamen Platze stand, wusch mir in dem klaren Wasser die Augen hell und sang dazu:
Wenn ich ein Vöglein wär,
Ich wüßt wohl, wovon ich sänge,
Und auch zwei Flüglein hätt,
ich wüßt wohl, wohin ich mich schwänge!
«Ei, lustiger Gesell, du singst ja wie eine Lerche beim ersten Morgenstrahl!» sagte da auf einmal ein junger Mann zu mir,
der während meines Liedes an den Brunnen herangetreten war. Mir aber, da ich so unverhofft Deutsch sprechen hörte, war es
nicht anders im Herzen, als wenn die Glocke aus meinem Dorfe am stillen Sonntagsmorgen plötzlich zu mir herüberklänge. «Gott
willkommen, bester Herr Landsmann!» rief ich aus und sprang voller Vergnügen von dem steinernen Brunnen herab. Der junge Mann
lächelte und sah mich von oben bis unten an. «Aber was treibt Ihr denn eigentlich hier in Rom?» fragte er endlich. Da wußte
ich nun nicht gleich, was ich sagen sollte, denn daß ich soeben der schönen gnädigen Frau nachspränge, mocht ich ihm nicht
sagen. «Ich treibe», erwiderte ich, «mich selbst ein bißchen herum, um die Welt zu sehen.» – «So so!» versetzte der junge
Mann und lachte laut auf, «da haben wir ja ein Metier. Das tu ich eben auch, um die Welt zu sehen und hinterdrein abzumalen.»
– «Also ein Maler!» rief ich fröhlich aus, denn mir fiel dabei Herr Leonhard und Guido ein. Aber der Herr ließ mich nicht
zu Worte kommen. «Ich denke», sagte er, «du gehst mit und frühstückst bei mir, da will ich dich selbst abkonterfeien, daß
es eine Freude sein soll!» – Das
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