Aus dem Tagebuch einer Rabenmutter (German Edition)
Oberarzt Dr. Wagner Stefan mit Vornamen und nicht Heinz-Dieter.
Aber das Gegrunze kommt schließlich auch nicht aus dem Fernseher, sondern aus dem Babyphone, welches vor mir auf dem Couchtisch steht.
„Gerlinde, Du wilde Stute. Ich hole gleich meine Peitsche und dann reiten wir zusammen nach Idaho.“
Wild durchzuckt es mich.
Heinz-Dieter und Gerlinde.
Das können nur Heinz-Dieter und Gerlinde Baumann sein. Der nette rüstige Rentner von gegenüber und seine Frau mit den silberweißen Löckchen.
Ich bin entsetzt.
Aber nicht zu entsetzt, um mir den Rest des Ohrenspiels entgehen zu lassen. Nach einem mühsamen Ritt von 1½ Stunden sind Heinz-Dieter und Gerlinde endlich in Idaho angekommen. Und das ohne Notarzt. Alle Achtung.
Als mein Liebster endlich nach eines langen Tages Arbeit nach Haus kommt, schildere ich ihm die Probleme mit unserem neuen Babyphone.
„Typisch. Frauen und Technik. Bei unserer Höhenlage muss das Gerät sowohl am Sender als auch am Empfänger auf 40,69 MHz, also auf Kanal C eingestellt werden. So, jetzt müsste es laufen.“
„Ihre Bestellung bitte“, bellt es plötzlich aus dem Babyphone, dass mir beinahe die Ohren abfallen.
Endlich funktioniert das Gerät. Dankbar strahle ich meinen Liebsten mit dem Wenn-ich-Dich-nicht-hätte-Blick Nr. 2 an.
„Einen Doppel-Cheese-Whopper und einmal das King-Size Menue, dazu eine Maxi-Cola, Medium Pommes mit Ketchup und zwei Vanilla-Shakes plus Hazelnut-Topping extra crunchy.“
„Und vergiss nicht die Baby-Tüte mit der Schlummer-Überraschung für Paulchen.“
„Ja genau, die nehmen wir auch noch dazu.“
„Macht 11,25 €. Fahren Sie bitte zum nächsten Schalter vor.“
Tolle Erfindung, so ein Babyphone.
Nur wer holt unser Abendessen jetzt beim Burger King ab?
Babysitter
Endlich ist Paulchen eingenickt und ich kann einen kurzen Blick in die Tageszeitung werfen. Mit Entsetzen muss ich feststellen, dass heute schon der 3. März ist. Nur noch zwei Wochen und der Beste aller frischgebackenen Väter feiert seinen 35. Geburtstag.
Zur Feier des Tages will ich ihn zum Essen einladen. Nur er und ich, ein romantischer und vor allen Dingen ein babyfreier Abend soll es werden. Das haben wir uns nach 5 Monaten Paulchen verdient. Erst ein leckeres Essen im La Gioconda und dann vielleicht noch auf einen kleinen Abstecher in die Haifisch-Bar. So wie in der Zeit vor Paulchen.
Es wird höchste Zeit, sich nach einem geeigneten Babysitter für Paulchen umzusehen. Mit Schrecken denke ich an die Horrorgeschichten anderer Mütter von pickligen, pubertierenden Teenager-Babysittern, die mit ihren noch pickligeren pubertierenden Teenagerfreunden den Härtegrad der Matratzen im elterlichen Schlafzimmer testen, während das zu beaufsichtigende Kind mit Chips und Rum-Cola die ungekürzte Version des Kettsägen-massakers auf Video sehen darf.
Da fällt mein Blick auf eine groß angelegte Anzeige mit einem friedlich schlummernden Baby.
Wollen Sie dieses süße Baby irgendeinem Babysitter anvertrauen? Was da alles passieren kann. Vertrauen Sie nicht auf den Zufall, vertrauen Sie PERFECT-BABY, dem perfekten Babysitter-Vermittlungsservice für perfekte Babys.
Flugs wähle ich die angegebene 0190er-Nummer. Nur 3 Euro 87 Cent für eine Telefoneinheit von 12 Sekunden. Für mein Paulchen ist mir nichts zu teuer, nicht mal die 24 Minuten, die ich in der Warteschleife verbringe, während mir Jeannette, Babette und Claudette zur Unterhaltung die Ohren vollsäuseln. Und dann endlich ein Freizeichen.
„Guten Tag, Sie sprechen mit PERFECT-BABY, dem einzigen nach ISO 7.986 zertifizierten Babysitter-Vermittlungsdienst, mein Name ist Edelgard Kuczinski, was kann ich für Sie tun?“ flötet mir eine Telefonseminar-erprobte Stimme entgegen.
Ich schildere der Dame mein Dilemma und dass ich kurzfristig einen Babysitter benötige.
„Sind Sie bereits in unserer Kartei, Frau Schumann?“
Die Frage muss ich leider verneinen.
„Verfügen Sie über Referenzen?“
Ich stelle klar, dass ich mich nicht als Babysitter bewerben, sondern die Dienste eines ebensolchen in Anspruch nehmen möchte.
„Eben drum. Wir sind ein erstklassiger Babysitter-Service mit erstklassig ausgebildeten Babysittern. Die meisten haben einen Abschluss an der Babysitterakademie und verfügen über langjährige praktische Erfahrungen. Denen können wir nicht irgendein Baby anvertrauen. Es müssen schon gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Üblicherweise nehmen wir nur Babys aus Akademikerfamilien.
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