Aus dem Tagebuch einer Rabenmutter (German Edition)
eingeschlafen.
Als Paulchen 6 Monate alt ist, beschließe ich etwas an unserer freudlosen Zeit zu ändern. Andere tun es doch auch, sonst würde es keine Geschwisterchen geben.
Doch leider liegt weder Musik noch ein erotisches Knistern in der Luft.
Durch die Lektüre zahlreicher Frauenzeitschriften gestärkt, beschließe ich endlich einmal wieder etwas Schwung in unser Liebesleben zu bringen.
Was tun?
Die Verkäuferin meines Lieblings-Wäschegeschäfts nimmt mich mit dem zarten Hinweis zur Seite, dass sie Stringtangas und Spitzendessous leider nicht in Übergrößen führen. Stinksauer verlasse ich mein Ex-Lieblings-Wäschegeschäft und beschließe, die Sache anders anzugehen. Nur wie?
Alle mir bekannten Aphrodisiaka wie Knoblauch, Sellerie, Bohnensalat oder Champagner kommen für eine stillende Mutter naturgemäß nicht in Frage.
Also versuche ich es zunächst mit einer geistigen Anregung.
Von der Buchhändlerin meines Vertrauens erhalte ich einen Bestseller der erotischen Literatur.
Das sexuelle Verlangen der Jacqueline Z..
Lassen Sie sich von der entfesselten Lust der Jacqueline Z. mitreißen. Eines der spektakulärsten Bücher unserer Zeit verspricht mir der Klappentext verheißungsvoll.
Gespannt schlage ich das Buch auf.
Die Geschichte beginnt auf dem Land, wo Jacqueline eine triste Jugend zwischen Mähdreschern und Hühnerbeinen verlebt. Doch dann erwachen ihre Sinne und die Heuschober kommen ins Spiel. Und Paul. Und auf Seite 23 François. Auf Seite 24 und 25 folgen Frederic und Claude.
Es kommt, wie es kommen muss.
Jacqueline zieht es raus in die weite Welt.
Nach Paris.
Paul schreit. Vor Lust.
Und Klein-Paul auch. Vor Hunger.
Nach einer kurzen Unterbrechung meiner Lektüre geht es auf Seite 33 weiter.
Jaqueline sucht eine Wohnung.
Frédéric und Claude zeigen ihr jede Menge Wohnungen und noch viel mehr.
Und dann taucht Henri auf, ein attraktiver Wohnungsmakler auf.
Er schreit.
Quatsch. Paul schreit. Windel voll.
Mama wechselt Pauls Windel.
Jacqueline zieht um die Häuser.
Erst Philipp.
Dann Nicolas.
Und wieder Paul
Paul ist langweilig.
Mir auch.
Wir spielen auf der Babydecke. Guck. Guck. Gack. Gack.
Ganz im Vorbeigehen schaue ich bei Jacqueline vorbei.
Auf Seite 87 lernt sie den wilden Réné kennen, auf der nächsten Seite den sanften Joachim.
Paul haut sich mit seiner Holzrassel auf den Kopf. Paul weint. Ich tröste ihn.
Woll`n mal sehen, was Jacqueline so macht:
Die Seiten 89 bis 90 sind bevölkert von Ben, dem Stier und Léon dem Löwen. Jetzt treibt`s die schlimme Jacqueline auch noch mit Tieren.
Auf Seite 100 erscheinen Jean und Jules und Jacques auf der Bildfläche. Und sie haben auch noch jede Menge Freunde mitgebracht.
Paul möchte auch lesen.
Erkläre ihm, dass er niemals alt genug sein wird, solche Ferkeleien zu lesen.
Stattdessen lesen wir gemeinsam den neuesten Ikea-Katalog.
Garantiert jugendfreie Geschichten von unseren Freunden.
Billy, Knut und Moppe. Und auf den Seiten 35 von Björn, Sven und Birger. Und natürlich sind Nisse und Lasse auch dabei.
Morgen werde ich versuchen, das sexuelle Verlangen der Jacqueline Z . in der Buchhandlung umzutauschen. Gegen einen anderen Beststeller. Das Neueste vom Neuen.
Die sexuelle Enthaltsamkeit der Katja S.
Immer noch fast alles PEKiP
Und was macht die PEKiP-Gruppe derweilen?
Marc-Antonius, das Produkt einer harmonischen Empfängnis, wurde wegen militanten Verhaltens bereits aus der dritten Krabbelgruppe ausgeschlossen.
Giacomo-Jeronimus plant –nach einer erfolgreichen Serie von Ladendiebstählen in Designer-Baby-Shops- nunmehr seinen ersten Banküberfall. Der Ferrari zu seinem dritten Geburtstag will schließlich finanziert werden.
Geraldine spricht zwar bereits fließend ser bokroatisch, doch mit der deutschen Sprache hapert es ein wenig. Sie stottert und lispelt dermaßen stark, dass keiner mit ihr sprechen oder spielen will. Zwischenzeitlich ist sie auf Gebärdensprache umgestiegen.
Annabella-Teresa verweigert bereits seit Monaten die Brust ihrer Mutter und hat die harmonische Stillbeziehung einseitig gekündigt. Statt Fenchel-Anis-Kümmel-Oregano-Pistazien-Tee ernährt sie sich seit ihrem 2. Lebensmonat ausschließlich von Leberwurstsemmeln.
Luca-Leon-Leander schließlich weigert sich auf seinen Namen zu hören. Er nennt sich jetzt selbst nach seinem Opa. Fritz.
Und was macht Paulchen?
Während seine Mutter –eine stadtbekannte Rabenmutter - diese Zeilen schreibt und darüber
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