Aus heiterem Himmel (German Edition)
er als Architekt betreute, und holte trotz schmerzender Rippen die Arbeit nach, die die letzten Tage liegen geblieben war. Erschöpft kehrte er nach Hause zurück. Vielleicht konnte er jetzt wenigstens schlafen.
Doch um Mitternacht lag er immer noch wach im Bett. Hätte ich doch wieder ein Schmerzmittel nehmen sollen?, fragte sich Ty. Aber er mochte nicht ständig unter Medikamenten stehen. Also biss er die Zähne zusammen und sagte sich, dass es ihm morgen wahrscheinlich schon besser ginge. Er schaltete das Licht an, um zu arbeiten, aber die Pläne verschwammen ihm vor den Augen, und ihm wurde schwindlig.
Seufzend griff er nach dem Tablettenfläschchen, da klopfte es an der Tür. Weil ihm kein einziger Grund einfiel, weswegen jemand um Mitternacht bei ihm anklopfen sollte, öffnete er auch nicht.
Doch es klopfte von Neuem.
Er zog sich eine Jogginghose an. Jetzt konnte er schon gehen, ohne bei jedem Schritt aufschreien zu wollen. Offenbar war er auf dem Weg der Besserung. Dennoch hätte er sich am liebsten erst einmal hingesetzt, als er die Tür erreicht hatte. Und als er sie öffnete, haute es ihn fast um, als er sah, wer davor stand.
“Nicole!”
Sie hatte sich mit beiden Armen an den Türrahmen gestützt und hielt den Kopf gesenkt. Jetzt bei seinem Ausruf richtete sie sich etwas auf. Das kurze schwarze Haar stand ihr zu Berge, als wäre sie immer wieder mit den Fingern hindurchgefahren. Sie trug ein Top mit Spaghettiträgern und darüber eine Latzhose. Ein Träger war ihr über die Schulter gerutscht. Ihr kleiner schlanker Körper bebte vor Anspannung.
Ihr Blick hielt ihn gefangen. Aus ihren Augen sprachen so viele Gefühle, dass es ihm fast wehtat, Nicole anzusehen.
“Habe ich dich geweckt? Das tut mir leid. Ich wollte nur …”
Er hielt sie am Arm fest, als sie sich wieder umdrehen wollte, und zuckte leicht zusammen, als er dabei unwillkürlich ihre nackte Haut berührte. Es war, als hätte ihn der Blitz getroffen.
“Ich hätte nicht kommen sollen”, flüsterte sie.
Ja, das wäre besser gewesen. Denn jetzt wusste er nicht mehr, ob er sie überhaupt würde wieder loslassen können.
“Ich habe bei dir Licht gesehen.” Sie hob eine Schulter und lächelte ihn an.
Dieses Lächeln berührte Ty in einer Weise, über die er lieber nicht nachdenken wollte. Jedenfalls nicht im Moment. Im Moment wollte er nur Nicole spüren. Er brauchte ihre Nähe mehr als alles andere.
“Taylor sagt, sie habe nichts von dir gehört. Und zur Untersuchung im Krankenhaus bist du auch nicht gekommen. Deshalb …”
Ty zog Nicole zu sich ins Haus.
“Deshalb habe ich mich ins Auto gesetzt, und da bin ich.” Erneut lächelte sie ihn an, und sein Herz setzte einen Schlag lang aus. “Wie gesagt, ich sah Licht bei dir.”
Er machte die Tür zu. Nicole ging einen Schritt nach hinten und stieß gegen die Holzwand. Ihr Lächeln wirkte jetzt etwas unsicher.
“Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass es dir gut geht und …” Nicole verstummte, als Ty seine Hände rechts und links von ihrem Kopf an die Wand stützte und damit plötzlich sehr nah war. “Willst du mir etwas sagen?”, flüsterte sie und fuhr sich unruhig mit der Zunge über die Unterlippe.
“Willst du mich jetzt untersuchen?”, fragte er zurück.
“Ich … ich …”
Ty musste lächeln. “Du bist nervös, und auch wenn es verrückt klingt, das gefällt mir.”
Nicole presste die Finger auf ihre Augen, und sofort nutzte Ty den unbeobachteten Moment, um noch näher an Nicole heranzurücken.
“Weißt du was?” Sie hatte die Augen immer noch geschlossen. “Ich werde jetzt wieder gehen.”
Nicole senkte die Hände und stieß dabei automatisch gegen Tys Brust. Wie Feuer schoss es durch seine Rippen, und er sackte fast in sich zusammen.
“Oh, Ty.” Erschrocken hielt sie ihn an der Taille fest.
“Verdammt!”
“Ich weiß. Oh, es tut mir so leid.”
Ty holte tief Luft und blickte Nicole in die Augen. Er sah an ihrem Blick, was er auch spürte. Sie berührte ihn jetzt nicht als Ärztin, sondern als Frau.
“Alles in Ordnung?”, fragte sie leise.
“Ich sag dir Bescheid, wenn ich keine Sterne mehr sehe”, antwortete er und atmete noch etwas unregelmäßig.
“Oh, es tut mir wirklich sehr leid. Ich wollte dir nicht wehtun.”
“Das weiß ich.”
Aber genau das hatte sie getan. Sie begriff nur nicht, in welcher Weise, begriff nicht, warum ihre Nähe ihn so aufwühlte. Dabei war er es doch, der keine feste Beziehung wollte. Er war es, der
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